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BB "Tödliche Medizin & organisierte Kriminalität", Gøtzsche

Der dänische Medizinforscher, Professor Gøtzsche, zeigt mit Beispielen und wissenschaftlichen Studien wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert

Collage Buch "Tödliche Medizin" von Prof. Gøtzsche mit Textaussage rechts.© CC-by-sa 2.0, Collage Catalina Sparleanu, PhD, Foundation Diet Health Switzerland

Fazit

Wir bekamen von einer Weltfirma die Aufforderung 4864 verschiedene Namen nicht zu gebrauchen. Es sind vor allem rezeptpflichtige Medikamenten etc. Darunter "I" für den Wirkstoff im Körper, der Diabetes verhintert. Wir verwenden nun "Kürzel" und haben einige Passagen und zahlreiche hilfreiche Links gestrichen. Den Originalbeitrag können nur Mitglieder einsehen (oben links auf unseren Seiten ist die Mitgliedschaft möglich, EE 30.5.19).

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Professor Dr. med. Peter Christian Gøtzsche beschreibt sehr genau und eindringlich die Machenschaften (auch Intrigen) der Pharmaindustrie (Pharmaunternehmen). Das sind Betrug, Verheimlichung negativer Studien, Bestechung, Einschüchterung (Drohung) und Bedrohung von Kritikern (Kritik) etc.

Das Ziel von Grossen dieser Industrie: ihre ohnehin schon riesigen Gewinne zu vergrössern.

Kapitalismuskritik kommt aber im Buch nicht vor. Das Buch liest sich leicht und wie ein Krimi. In der Buchbesprechung können wir nur Fakten bringen, was sich trockener liest. Die zahlreichen Beispiele mit konkreten Angaben fehlen.

Der Autor bringt Lösungsvorschläge, die er in Kapitel 21 zusammenfasst. Stichworte dazu: Unabhängige Medikamentenprüfstellen und Zulassungsbehörden, Ablehnung von Geld und Vergünstigungen der Industrie an alle mit der Gesundheit Befassten, also an Ärzte, Krankenhäuser, Universitäten, Institute, Selbsthilfegruppen, Zeitschriften, Journalisten, Politiker etc. Verhinderung von Interessenkonflikten bei Experten.

Das Buch ist sicher ein Muss für alle Mediziner, die noch daran glauben, dass die Pharmaindustrie zum Wohl der Patienten handelt und nicht zu ihrem eigenen Vorteil. Ob man es Laien ohne Vorkenntnisse empfehlen sollte?

Nach der Lektüre des Buches oder unserer Besprechung soll niemand Medikamente von sich aus absetzen, sondern den Arzt konsultieren und ihm diese Lektüre zum Lesen geben. Ein Link genügt. Es gibt lebenswichtige Medikamente.

Als Kontrast zu diesem Buch sollte man auch wissen, dass die Erfolge bezüglich hoher Lebenserwartung auch der Pharmaindustrie zu verdanken ist. Diese vernichtende aber objektive Kritik hat nicht die Aufgabe, das zu vermitteln. Dass Gøtzsche (deutsch eigentlich Goetzsche) richtig liegt, kann man an zahlreichen, hier in Deutsch (z.B. von ZDF) und Englisch eingestreuten Bildern mit Links auf YouTube bestätigt finden, wenn man die Links nutzt.

Video-Bild: "Ein Pharma-Insider packt aus - ZDF".© CC-by-sa 2.0, Uwe Dolata, ZDF
Video: Ein Pharma-Insider packt aus (A pharma-insider reveals the shocking truth), 3:28 min. YouTube channel DieAndereWahrheit (The other truth).

Das ZDF in Deutschland zeigt seriöse Berichte. Das zeigt deutlich, dass das besprochene Buch nicht übertreibt.

1. Zusammenfassung

Worum geht es in diesem Buch? Es befasst sich mit den Methoden der Pharmakonzerne und ihrer Manager. Deren Ziel ist meist nur die Gewinne um jeden Preis steigern zu können. Sie könnten durch die Vorschläge des Autors ohne Tricks zu guten, das heisst wirksamen, nebenwirkungsarmen und preiswerten Medikamenten kommen. Das kann heute aber nicht das Ziel einer besonders erfolgreichen Firma sein. Die Gesellschaft müsste sich ändern.

Der Autor widmet das Buch den vielen Ehrlichen in der Pharmaindustrie, die über die kriminellen Handlungen ihrer Vorgesetzten und deren Folgen für die Patienten und die Wirtschaft genauso empört sind wie er.

Bei den Konzernen der Nahrungsmittelindustrie geht es zum Teil ähnlich zu, wie wir aus der Buchbesprechung "Salt Sugar Fat" von Michael Moss entnehmen können. Moss hat für sein Buch den Pulitzer-Preis erhalten.

Wie der Mensch tickt, wenn es um viel Geld und/oder Prestige geht

Beide Bücher, "Salt Sugar Fat" und "Tödliche Medizin" zeigen eigentlich nur, wie der Mensch tickt, wenn es um viel Geld und/oder Prestige geht.

Wir verfehlen es, schon an den Schulen Ethik und die Bedeutung von Ethik zu vermitteln. Die Vertiefung, nämlich angewandte Ethik (siehe da die Inhalte), Philosophie und weitere Bildung müsste sowieso im frühen Erwachsenenalter kommen - für beide Geschlechter eine obligatorische Erwachsenenbildung. Sonst hat die Gesellschaft keine Chance zu einer Änderung, denn sie muss sich ändern, nichts anderes. Das ist ähnlich, wie wenn man bei einem Volk ohne Demokratieverständnis, diese durchsetzen will, oder gar eine direkte Demokratie, wie die Schweiz sie kennt.

Themen wie business ethics gibt es zwar in Englisch, Wikipedia führt keinen Link auf Deutsch, behandelt das Thema aber unter Wirtschaftsethik. Zentrale Werte sind dabei Humanität, Solidarität und Verantwortung, kann man da lesen.

Wenn man Theorie und Praxis vergleicht, mit der Politikverfilzung, kann man nur sagen, dass die gut gemeinten und richtigen Vorschläge des Autors nicht realistisch sind, denn sie greifen zu kurz. Es fehlt der Wille der Basis, diese Zustände zu ändern. Die Basis ist auch weit entfernt davon, sich mit so etwas zu befassen, oder das Problem und dessen Tragweite auf lange Sicht echt zu erkennen.

Buchrückseite von "Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität."© CC-by-sa 2.0, Ernst Erb, Foundation Diet Health Switzerland
Sie können alle Bilder gross und damit in diesem Fall auch lesbar klicken.

Leider existiert bei Wikipedia kein deutschsprachiger Beitrag über CONSORT (Consolidated Standards Of Reporting Trials), darum dieser Link in Englisch.

Man versucht bei The CONSORT Group mit Sitz am The Ottawa Hospital Research Institute (OHRI), Kanada, Leitlinien für Veröffentlichungen von randomisierten Therapiestudien einzuführen, die deren Verlässlichkeit enorm steigern könnten.

Hier gibt es ein PDF in deutscher Sprache darüber.

Ausschnitt in YouTube über ZDF heute-Show. Interview mit einem Lobbyisten der ProGenerika.© CC-by-sa 2.0, Martin Sonneborn, ZDF
Video: Martin Sonneborn interviewt einen Sprecher der Lobby-Vereinigung ProGenerika. (3:42 min, von QVCinsider, ZDF’s heute-show, 14.5.2010)

In diesem YouTube-Ausschnitt dreht es sich um günstige Medikamente aus China oder Indien. Sehr lustig, trägt aber nicht viel zu diesem Buch bei.

Was passierte nach dieser Sendung? War das ein Fake? Nein!

Wenn man dieses Video anschaut, kommen einem Zweifel. Denn der ZDF-Satiriker Martin Sonneborn stiess auf eine Situation, die man sich nicht real so vorstellen kann bei diesem cleveren und so finanziell starken Arm der Pharma-Industrie.

Für mich jedenfalls war das nicht glaubhaft - und heute tut mir der Pharma Lobbyist, Peter Schmidt, direkt leid, so wie er agierte. Ich empfand fast so etwas wie Scham für ihn - oder eben: "Das ist nicht real". Besonders das mit den beiden "Aufpassern" deutete auf eine Satire hin - und auch der nur für uns sichtbare Zettel auf dem Rücken von Herrn Sonneborn.

Aber es gab einen Bericht vom 22. Juli 2010 mit "Martin Sonneborn im Gespräch" bei der Süddeutschen Zeitung - und auch heute lesbar unter sueddeutsche de, was man an erster Stelle mit "Martin Sonneborn im Gespräch, Todesurteil" im Netz findet.

Der Beitrag heisst "Ein Todesurteil gegen mich" mit Subtitel: "Politclown, Guerilla-journalist oder Etikettenschwindler? Martin Sonneborn über naive Lobbyisten, Guido Westerwelle und die Vorwürfe des ZDF gegen den Satiriker." Ein Interview mit Antje Hildebrandt.

Bekannt ist ja, dass Martin Sonneborn, damals 45 Jahre alt, Politiker und Normalbürger gerne in die Falle lockte.

Es war später weder für den Pharma-Lobbyisten Peter Schmidt noch für Martin Sonneborn ein Schleck. Ich zitiere die Süddeutsche Zeitung:
Der Pharmalobbyist Peter Schmidt wurde inzwischen entlassen - unter anderem auch deshalb, weil er sich von Ihnen den Satz entlocken liess, billigere Pillen aus Fernost seien genauso wirksam wie deutsche. Tut er Ihnen leid?

Und die Antwort von Herrn Sonneborn:
Ja, Peter Schmidt war ein sympathischer Mensch. Es tut mir leid, wenn das Interview zu seiner Entlassung beigetragen hat. Andererseits ist Lobbyisten gegenüber alles erlaubt, finde ich. Schmidt war vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des milliardenschweren Verbands "ProGenerika" Mitglied der Arbeitsgruppe "Gesundheit und Soziale Sicherung" der SPD-Fraktion. Und es ist auch diese Verbindung von Politik und Lobbyismus, auf die wir mit dem Beitrag gezielt haben.

Vorwort und Aussagen

Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Psychologe und Direktor des Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, lobte das Buch als Augenöffner.

Prof. Dr. med. Peter Sawicki, Diabetaloge, stimmt dem Autor zu, dass:

Das Gewinnstreben der Pharmaindustrie unsere Gesundheit gefährdet, die dafür zuständigen Behörden insuffizient arbeiten und die Parlamente keine wirksamen Gesetze zum Schutz der Bevölkerung erlassen.

Dr. Sawicki ist ehemaliger Leiter des Institut für Qualität und Wissenschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Die Politik wählte ihn 2010 ab!

Dr. med. Wolfgang Becker-Brüser, dazu auch Pharm.D., Herausgeber von Arznei-Telegramm, findet, dass der provokante Titel keine Übertreibung ist. Trägerin der werbefreien Zeitschrift Arznei-Telegramm ist A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH.

Bestsellerautor Dr. phil. Frank Wittig hält den Autor für den profiliertesten Pharma-Mafia-Jäger auf dem Globus. Dr. Wittig selbst veröffentlichte die Bücher Die Weisse Mafia (Feb. 2013), was den Titel Spiegel-Bestseller erreichte und Krank durch Früherkennung (Sept. 2015). Siehe das Interview mit ihm durch den Thieme Verlag unter Titel Mafiöse Machenschaften sowie Interview des SWR1 zum Buch im Riva Verlag über sinnlose Frühuntersuchungen zu Brustkrebs und Prostatakrebs.

In seinem Vorwort lobt Prof. (hon.) Dr. med. Richard Smith (engl.) die kompromisslose Entlarvung der Methoden der Pharmakonzerne und ihrer Handlanger.

Die Methoden sind: Bestechung, Betrug, Verheimlichung von Studienergebnissen, zulassungsüberschreitende Verwendung von Medikamenten, Drohung und Jagd auf Informanten.

Dr. Smith war während 25 Jahren Mitarbeiter des British Medical Journal (BMJ), davon 13 Jahre als Herausgeber.

Wikipedia zu Dr. Smith: He sits on the Board of Directors of the Public Library of Science, an open access publisher of scientific and medical research. He was editor in chief of the open-access Cases Journal, which aimed to create a database of medical case reports. Auch war er Leiter UnitedHealth Europe, einer Abteilung von UnitedHealth.

Siehe auch Literatur: "Der ewige Gärtner" von John le Carré - Original The Constant Gardener 2001 und die gleichnamigen Verfilmung von Fernando Meirelles im Jahr 2005.

Smith zitiert einen ehemaligen Vizepräsidenten bei Pfitzer so:

Die Ähnlichkeit zwischen dieser Industrie und dem organisierten Verbrechen ist beängstigend. Die Mafia verdient unverschämt viel Geld, diese Industrie ebenfalls. Die Nebenwirkungen des organisierten Verbrechens sind Morde und Tote, und das sind auch die Nebenwirkungen der Industrie. Die Mafia besticht Politiker und andere Leute, die Pharmakonzerne tun das ebenfalls. (S. 13)

In einem weiteren Vorwort attestiert Prof. Dr. med. Drummond Rennie (engl.), ehemaliger stellvertretender Herausgeber des Journal of the American Medical Association, die einzigartigen wissenschaftlichen Fähigkeiten des Autors, seine Forschungen, seine Integrität, seine Wahrhaftigkeit und seinen Mut. Da er ebenfalls über Jahrzehnte Erfahrungen mit der Pharmaindustrie gesammelt hat und Dr. Gøtzsche gut kennt, vertraut er auf die Richtigkeit seiner Angaben. Sein Vorworttitel heisst: Empörung, die sich auf Beweise stützt.

2. Buchbesprechung

Professor Dr. med. Peter Christian Gøtzsche schreibt, dass die grossen Seuchen in den meisten Ländern unter Kontrolle sind - und kritisiert: trotzdem sterben viele Arme an AIDS oder Malaria, weil sie sich die teuren Medikamente nicht leisten können. Dafür gäbe es jetzt 2 neue Seuchen: Tabak und Medikamente.

In den Vereinigten Staaten und Europa sind Medikamente die dritthäufigste Todesursache nach Herzkrankheiten und Krebs. (S. 23)

Er vergleicht Tabak- und Pharmaindustrie: Obwohl es Studien über das Suchtpotential und die Schäden durch Aktiv- und Passivrauchen gab, hat man diese nicht veröffentlicht und ihre Existenz geheim gehalten. Die Studien stammten teilweise von der Tabakfirma Philip Morris selbst.

Das ist Korruption

Wenn seriöse Wissenschaftler nachweisen, dass ein Produkt gefährlich ist, tauchen rasch eine Menge Studien auf, die das Gegenteil beweisen und die Menschen verunsichern. Damit gewinnt die Industrie Zeit - sowohl die Tabak- wie auch die Pharmaindustrie. Das ist Korruption. (S. 24)

Redaction comment

Es gibt verschiedene Arten von Suchtpotenzialen: Abhängigkeitssyndrom durch psychotrope Substanzen, was eine Gruppe von Störungen der Psyche (Syndrom) und des Verhaltens aufgrund wiederholter Einnahme psychotroper Substanzen bedeutet. Typisch ist ein starkes, periodisch oder dauerhaft auftretendes Substanzverlangen, eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Verpflichtungen oder Aktivitäten, möglicher Kontrollverlust und zwanghafter Konsum der Substanz. Medizinisch heisst das Abhängigkeit.

Von der Gesellschaft oft toleriert sind gewisse Formen der Abhängigkeit wie Tabaksucht, Computerspielabhängigkeit und pathologisches Spielen, Coffeinismus (Kaffeesucht) oder Alkoholabhängigkeit (Alkoholkrankheit). Siehe auch die Gefahren des Passivrauchens (Passivrauchen).

Die wenigsten Menschen wissen, dass Vergiftungserscheinungen ab 1 g Koffein pro Tag auftreten können. 1 g Koffein entspricht 10 Liter handelsüblicher Cola oder etwa 12 Aluminiumdosen à 250 ml handelsüblichen Energy-Drinks.

Hier zeigt Wikipedia die unterschiedlichen Abhängigkeitspotenziale auf. Interessant zu erfahren: "Die Substanzen mit dem höchsten körperlichen Abhängigkeitspotenzial sind Heroin und Nikotin". Siehe auch hier für "Hero.." und Nicotin.

In den USA rufen TV-Werbespots dazu auf, "Pillen" bzw. Tabletten oder Kapseln einzunehmen, um das Leben wieder in den Griff zu bekommen. Die Charaktere in Aldous Huxley's Roman 'Schöne neue Welt' (1932) schlucken jeden Tag Somatabletten ...

Laut Autor nimmt in Dänemark jeder bereits 1,4 Tagesdosen an Medikamenten zu sich.

Warum tun die Menschen das? Als Hauptgrund nennt er, dass die Pharmafirmen nicht Arzneimittel, sondern Lügen über Medikamente verkaufen. (S. 25)

In diesem Buch geht es nicht um die Erfolge im Kampf gegen Infektionen, einige Krebsarten und Stoffwechselerkrankungen wie den Typ I Diabetes sondern um das Versagen des Systems und seine Ursachen. Der Autor erwähnt:

Die wissenschaftliche Literatur über Medikamente wird durch Studien mit fehlerhaftem Design und unzutreffenden Analysen sowie durch selektive Veröffentlichung von Studien und Daten, Unterdrückung unerwünschter Ergebnisse und durch von Ghostwritern verfasste Artikel systematisch verfälscht.

Ghostwriter bezahlt man dafür, dass sie anonym bleiben. Die Artikel veröffentlicht man dann unter den Namen bekannter Professoren, obwohl diese oft nichts zum Text beitragen. (S. 26)

2.1. Geständnisse eines Insiders

Der Autor berichtet über seine ersten Erfahrungen mit vorbeugenden Medikamenten.

Manche Vitamintabletten können das Leben verkürzen

Vitamintabletten als 8-jähriger. In den 50-er Jahren glaubte man noch an die segensreiche Wirkung von unkritisch eingenommenen Vitaminen.

Erst 2008 fand eine Studie heraus, dass manche das Leben verkürzen können.

Siehe Bjelakovic G, Nikolova G. et al. : "Antioxidant supplements for prevention of mortality in healthy participants and patients with various diseases." Cochrane Database Syst Rev.

Enterovioform zur Durchfallprophylaxe kann Nervenschädigungen, Lähmungen und Sehstörungen verursachen

Die zweite Erfahrung war Enterovioform (Clioquinol) zur Durchfallprophylaxe in Italien. Was ziemlich sinnlos war, weil das Mittel nur gegen Protozoen (Amöben) oder Shigellen (Shigella) wirkt, mit dem steckt man sich in Italien nicht an.

Dafür kann es bei längerer Einnahme Nervenschädigungen bis zu Lähmungen der Beine und schwere Sehstörungen verursachen.

Die Firma Ciba (nun Teil von Novartis) wusste das schon lange. Obwohl in Japan bis 1970 10'000 Menschen an SMON erkrankten und die Firma 490 Millionen Dollar an sie gezahlt hatte, nahm sie das Mittel erst 1985 vom Markt. SMON ist der Kürzel für Subakute Myelopathische Optiko-Neuropathie.

Nach seinem Chemie-und Biologiestudium bewarb sich der Autor bei der Firma Astra (heute AstraZeneca) als Pharmavertreter. Dort lernte er, wie man Ärzte dazu bringt, das Produkt der Firma und nicht das der Konkurrenz zu verschreiben und das noch in möglichst grossen Mengen.

Wundermittel

In den 1960er-Jahren kamen die Corticosteroide als Wundermittel gegen rheumatoide Arthritis auf den Markt. Die schweren Nebenwirkungen (z.B. Knochenbrüche) lernte man erst später kennen.

In diese Zeit fiel die Einführung von "Glob......), einem Antibiotika P, das angeblich besser als die Mittel der Konkurrenten gegen Nasennebenhöhlenentzündungen (Sinusitis) wirken sollte. Die angeblichen Beweise dafür waren aber falsch.

Das wirkte auf die Selbstachtung des Autors ziemlich ungünstig, besonders nachdem er das Buch "Tod eines Handlungsreisenden" (1949) von Arthur Miller (1915-2005) gelesen hatte.

Ein weiteres ,,Wundermittel" sollten Zinktabletten gegen Beingeschwüre sein. Trotz angeblich eindrucksvoller Studien der Firma stellte eine Cochraneanalyse später ihre Wirkungslosigkeit fest.

Nach 8 Monaten wurde er Produktleiter. Als solcher war er verantwortlich für den Verkauf des Asthmasprays "B" (Terbutalin, Inhalator). Ziel war es, die Ärzte dazu zu bringen, ihren Patienten die regelmässige Inhalation des Sprays zu verordnen. Woraufhin die Todesfälle unter Asthmatikern zunahmen.

Asthma

Der neuseeländische Epidemiologe, Prof. Dr. Neil Pearce, der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM), früher Präsident der International Epidemiological Association (IEA), verfasste einen Artikel über die Macht der Pharmaindustrie und ihrer bezahlten Verbündeten unter den Ärzten.

Was er über die Behandlung von Asthmatikern schreibt, ist bestürzend. (S. 39)

Heute empfiehlt man die regelmässige Inhalation der so genannten kurz wirksamen Betamimetika (Beta-2-Sympathomimetika) nicht mehr. Daraufhin gingen die Todesfälle unter den Asthmatikern wieder zurück.

Ausserdem wurde noch versucht, Terbutalin bei chronischer Bronchitis einzusetzen, wofür es nicht zugelassen war, weil es keine Studien dazu gab. Eine weitere Anwendung sollte es als Mittel gegen Husten finden - auch dafür gab es keine Zulassung.

Pearce N. "Adverse Reactions: the fenoterol story". Auckland University Press. 2007. Warum erst so spät? Weil sich vorher keine medizinische Zeitschrift fand, die den Artikel trotz Drohungen von Boehringer Ingelheim abgedruckt hätte!

Bild eines YouTube-Videos mit dem Titel: "10 Lügen, die Werbung dir verkauft hat".© CC-by-sa 2.0, Alltime10s
YouTube englischsprachigen-Video über 10 Marketing-Verführungen: Top 10 Lies That Advertising Has Sold You (7:13 min.).

Während seiner Arbeit bei Astra-Syntex, er war dort für klinische Studien und die Zulassung neuer Medikamente zuständig, studierte der Autor Medizin.

Nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR)

Das wichtigste Medikament dieser Firma war "N", ein nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR, NSA) als Mittel gegen Schmerzen und Entzündungen ohne Cortison, das man z.B. bei "Gelenksabnützungen" verschreibt.

Es gibt NSAR wie Sand am Meer. Ein neues hätte eigentlich besser sein müssen als die vorhergehenden billigeren, aber die Firma war nicht an einer Vergleichsstudie interessiert. Sie wusste ja schon, dass ihr Mittel nicht besser, nur teurer war.

In einer Untersuchung mit Orthopäden stellte Peter Christian Gøtzsche fest, dass Naproxen keine entzündungshemmende Wirkung hatte, wie bisher behauptet.

Die Studienleiter teilten Patienten mit Knöchelverstauchungen in 2 Gruppen. Die eine wurde ruhig gestellt, die andere nicht. Die Schwellung ging bei den mobilisierten Patienten schneller zurück, Naproxen hatte darauf keinen Einfluss.

Da NSAR eine Menge Nebenwirkungen auf Magen, Herz und Nieren zeigen, könnte man sie also häufig durch weniger gefährliche und möglicherweise billigere Schmerzmittel ersetzen.

Die Firma empfahl den Ärzten statt der Standarddosis die doppelte zu geben, verschwieg jedoch, dass sich die Wirkung kaum verbesserte, die Nebenwirkungen sich aber verdoppelten.

Auch andere Konzerne versuchten mit agressiven Methoden ihr NSAR als das Beste zu verkaufen:

  • Pfizer das gegenüber Aspirin wirksamere "Pirox...." (Felden), das sich besonders bei älteren Menschen wegen der langsameren Ausscheidung im Körper anreicherte und vermehrt zu Magenblutungen führte;
  • Eli Lilly sein Benoxaprofen (Opren, Oraflex), von dem es fälschlicherweise behauptete, es könne das Fortschreiten der Gelenksabnützung verhindern. Die schweren Leberschäden,die es verursachte, wurden verschwiegen;
  • Die angeblich gute Magenverträglichkeit der Coxibe ("C", "E", "R", "L" und "P") wurde mit schweren Herznebenwirkungen begleitet (selektive COX-2-Hemmer).

In seiner Dissertation: Verzerrungen bei Doppelblindstudien wies Peter C. Gøtzsche nach, dass viele Studien zugunsten des Medikamentes des Sponsors und gegen das Vergleichsmittel ausgelegt sind (Sponsoring).

2.2. Das organisierte Verbrechen als Geschäftsmodell für die Pharmariesen

Die Pharmaindustrie spricht nicht über Vor- und Nachteile ihrer Präparate sondern immer nur über Wirksamkeit und Ungefährlichkeit. Wenn Ärzte Medikamente verordnen und Patienten sie einnehmen, sind beide davon überzeugt, die Pharmaindustrie habe die Präparate sorgfältig getestet und die Behörde hätte sie vor ihrer Zulassung genau und streng überprüft (Seite 53).

Die Pharmafirmen versuchen zwar diesen Eindruck zu vermitteln, aber nicht einmal der Grossteil der Mitarbeiter glaubt, dass ihre Chefs ehrlich sind.

Beispiele von Verurteilungen

2012 bezahlte Pfizer 60 Millionen Dollar, damit die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung im Ausland (als Kosten für Ausbildung, Frachtkosten etc. getarnt) einstellte.

Von den 1970er bis Ende der 1990er Jahre hielt ein Kartell der Vitaminerzeuger (Vitamin Inc.) unter Führung von Hoffmann-La Roche durch Absprachen die Preise für Vitamine künstlich hoch. Nach Auffliegen der Machenschaften waren einige Manager kurz im Gefängnis und manche zahlten Geldbussen von 500 Millionen Pfund bzw. Dollar. Das ist aber nur ein kleiner Prozentsatz der Gewinne, die sie durch die Preismanipulationen erzielt hatten.

In der Zwischenkriegszeit belieferte Roche die Unterwelt in den USA mit Opium, Morphin und Heroin. Auch andere Firmen in anderen Ländern beteiligten sich an diesem Handel. Literatur dazu: Corporate Crime in the Pharmaceutical Industry von John Braithwaite. Verlag Routledge & Kegan Paul, London, 1984.

Anfang der 1970er Jahre wurde Roche mit einer Geldbusse belegt, weil Roche den Wettbewerb beim Verkauf der Beruhigungsmittel "V" und "L" behinderte. Erst 27 Jahre nach Veröffentlichung von Berichten über Medikamentenabhängigkeit räumten Regierungsbehörden ein, dass Beruhigungsmittel süchtig machen.

Zitat des Autors:

Meiner Meinung nach ist es, ethisch betrachtet, gleichgültig, dass einige Medikamente, die das Gehirn beeinflussen, legal sind und andere nicht. Entscheidend ist, was die Pharmaindustrie den Menschen antut. (S. 58)

Bild eines YouTube videos, Titel: "Das Pharma-Kartell - Wie Patienten betrogen werden - ZDF".© CC-by-sa 2.0, Christian Esser, ZDF

Video: "Das Pharma-Kartell - Wie Patienten betrogen werden", von 44:17 Minuten Dauer, aus der Sendung ZDF Frontal 21.

Das Video zeigt eindrücklich wie diese Industrie vorgeht, um ihre Ziele zu erreichen. Hochgeladen von DieAndereWahrheit.

Die ,,Hall of Shame“ der Pharmariesen

Obwohl im British Medical Journal (BMJ) und in der New York Times fast wöchentlich Artikel über das Fehlverhalten von Pharmafirmen erscheinen, behauptet die Industrie, dass es sich nur um Einzelfälle handle.

Um das herauszufinden gab der Autor 2012 die Namen der 10 grössten Pharmaunternehmen kombiniert mit dem Wort Betrug in eine Suchmaschine ein. Das kam heraus:

Pfizer, Novartis und Sanofi-Aventis

Pfizer war 2009 bereit für einen Vergleich 2,3 Milliarden Dollar zu zahlen, weil sich herausstellte, dass die Firma vier Medikamente für nicht zugelassene Anwendungen vermarktet hatte. Die Firma unterzeichnete ein Abkommen über Unternehmensintegrität für 5 Jahre, um das es sich wahrscheinlich genau so wenig zu kümmern vorhatte, wie um die drei vorherigen. Eines dieser Medikamente war das Antibiotikum Zyvoxid (Wirkstoff "L"), das eine Menge Todesfälle verursachte, weil die Firma fälschlicherweise behauptete, es sei bei schwersten Infektionen besser als das Standardmittel "Vancomy...". Dafür kostete es acht Mal so viel.

Novartis war 2010 bereit, 423 Millionen Dollar zu zahlen, weil Novartis das Epilepsiemedikament "Trilep..." (Oxcarbazepin) für nicht zugelassene Anwendungen (Schmerzen, Psychosen) vermarktete, ebenso wie fünf weitere Medikamente.

Sanofi-Aventis zahlte 2009 wegen Betruges 95 Millionen Dollar, weil die Firma von Medicaid zu hohe Preise für Medikamente verlangt hatte.

GlaxoSmithKline, AstraZeneca und Roche

GlaxoSmithKline (GSK) schloss 2011 den grössten Vergleich der US-Geschichte und zahlte 3 Milliarden Dollar, weil das Unternehmen Medikamente illegal für nicht zugelassene Indikationen vermarktet hatte. Das war zum Beispiel das Antidepressivum "Wellbu...." ("B") zur Gewichtsabnahme oder das Diabetesmittel "A" ("Rosiglitaz..") wegen seiner angeblich positiven Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System. Das Mittel wurde später vom Markt genommen, weil es Herzversagen verursachte.

AstraZeneca war 2010 bereit, 520 Millionen Dollar wegen Betruges zu bezahlen. Die Firma hatte ihr Antipsychotikum (Neuroleptikum) "Seroq..." (Quetiapin) unter anderem für die Anwendung bei Kindern und alten Menschen und für nicht zugelassene Indikationen empfohlen. Das waren Aggression, Angst, Demenz, Alzheimer, ADHS, also Aufmerksamkeitsdefizit oder Hyperaktivitätsstörung, Depression und Schlafstörungen.

Roche wird für den "grössten Diebstahl aller Zeiten" (S. 63) nicht einmal angeklagt: Unter Berufung auf nicht veröffentlichte Studien, behauptete die Firma, "Tami..." ( "O") verringere signifikant die Krankenhauseinlieferungen wegen Grippe und die Sekundärkomplikationen.

2009 gelang es Roche, die Regierungen der USA und vieler europäischer Länder zum Ankauf von "Tami..." im Wert von mehreren Milliarden Dollar bzw. Euro zur Vorbeugung einer Grippeepidemie zu überreden.

GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Merck, Eli Lilly und Abbott

Weder "Tami..." noch "Rele..." (Zana....."), das Präparat der Konkurrenzfirma GlaxoSmithKline hat bei Grippe eine bessere Wirkung als ein Placebo. Dem Beamten bei der Food and Drug Administration (FDA), der "Tami..." und "Rele..." nicht zulassen wollte, wurde auf Druck von Roche der Auftrag entzogen (S. 64). Wenn "Tami..." schon nicht wirkte, hatte es doch wenigstens einige unangenehme Nebenwirkungen: Halluzinationen, seltsame Unfälle.

Johnson & Johnson zahlte 2012 eine Geldbusse von 1,1 Milliarden Dollar, weil es die Risiken des Antipsychotikums "Risp....." herunterspielte. J&J und ihre Tochterfirma Janssen hatten behauptet, es sei nebenwirkungsärmer als andere Präparate der gleichen Gruppe, worauf es auch bei Kindern und alten Menschen zum Einsatz kam.

Merck zahlt 2007 wegen Betruges 670 Millionen Dollar, weil das grösste Pharma-Unternehmen es versäumt hatte, staatlichen Gesundheitsprogrammen angemessene Rabatte einzuräumen.

Eli Lilly zahlte 2009 wegen illegaler Vertriebsmethoden 1,4 Milliarden Dollar, weil es sein Antipsychotikum "Zypre.." (Olanzapin) für zahlreiche nicht zugelassene Indikationen verkaufte: Demenz, Alzheimer, Depressionen bei Kindern und älteren Menschen und die Nebenwirkungen verharmloste (Herzversagen, Lungenentzündung, starke Gewichtszunahme. Siehe Film Der Diabetesmythos.

Abbott zahlte 2012 wegen Betruges 1,5 Milliarden Dollar, weil das Unternehmen sein Epilepsiemittel "D" (Valproinsäure) für nicht zugelassene Anwendungen verkauft hatte.

Diese Liste noch lange weiterführen

Natürlich könnte man diese Liste noch lange weiterführen:

Sanofi-Aventis hatte bei seiner Studie über das Antibiotikum "K" ("T", nur engl.) betrogen, trotzdem wurde das Medikament von der FDA zugelassen. Kurz darauf traten die ersten Todesfälle wegen Leberversagens auf. Jetzt wird es in den USA mit aufgedrucktem Warnhinweis und einer 26-seitigen Informationsbroschüre verkauft.

Da wurden z.B. von AstraZeneca Schmiergelder bezahlt, damit Medicare ein teures Medikament bezahlte. Johnson & Johnson bestach Krankenhausverwalter und Ärzte in verschiedenen Ländern, damit sie deren Produkte verwendeten...

Es ist verboten, Hersteller von Generika aus dem Markt zu drängen, wenn das Patent abgelaufen ist (Seite 73). Glaxo hatte ungerechtfertigte Zivilprozesse gegen die Einführung von Generika angestrengt. Durch Klagen kann man in den USA auch ganz legal die Markteinführung um 30 Monate aufschieben.

Bristol-Myers Squibb hatte jahrelang durch falsche Angaben und durch Zahlungen an einen Generikahersteller (Generikum) die Markteinführung billigerer Krebsmittel verhindert. Lundbeck hatte Generika aufgekauft um ihr Cipramil ("C") weiter teuer verkaufen zu können.

Die Firma Purdue Pharma behauptete fälschlicherweise, sein Opioid "Oxy....." (Oxycodon) sei weniger suchterzeugend als andere Morphinderivate.

2004/2005 nahm der Gesundheitsausschuss des britischen Unterhauses die Pharmaindustrie unter die Lupe. Er stellte fest, dass die Branche sich Ärzte, Politiker, Wohlfahrtseinrichtungen, Patientengruppen und Journalisten kaufte und unzulänglich überwacht wurde.

In den USA begehen die Pharmafirmen drei Mal so viele Gesetzesverstösse wie andere Branchen.

Der Bericht ist überzeugt, dass es gut wäre, den Einfluss der Industrie einzuschränken, auch für die Industrie, weil sie sich dann wieder darauf konzentrieren könnte, neue Medikamente zu entwickeln anstatt Geld für Korruption auszugeben. Die Regierung unternahm nichts, schliesslich ist die Pharmaindustrie die drittprofitabelste Branche des Landes.

Die Pharmaindustrie fällt unter die Kategorie "Organisiertes Verbrechen"

Als Beweis, dass die Pharmaindustrie unter die Kategorie Organisiertes Verbrechen fällt, führt der Autor ein US-amerikanisches Gesetz (RICO Act gegen Racketeering) an, mit dem die Mafia und vergleichbare Organisationen bekämpft werden sollen. Dabei geht es um das wiederholte Begehen folgender Verbrechen: Erpressung, Betrug, Drogenhandel, Bestechung, Unterschlagung, Behinderung der Justiz und der Polizei, Beeinflussung von Zeugen, politische Korruption... (S. 79)

Die Zahl der Vergleiche und Geldstrafen für Fehlverhalten der Pharmakonzerne nimmt in den letzten Jahren stark zu. Die Behauptung der Firmen, die Vorwürfe seien alt und inzwischen hätte sich vieles gebessert, stimmen also nicht.

2.3. Sehr wenige Patienten profitieren von ihren Medikamenten

In diesem Kapitel erklärt der Autor die Wichtigkeit von Doppelblindstudien. Bei diesen Studien weiss weder Patient noch Arzt, wer das Medikament und wer das Placebo bekommen hat. Die Beurteilung der Wirksamkeit ändert sich, je nach dem, wer und welcher Prozentsatz an Untersuchern und Probanden nicht ,,blind" ist.

Aktive Placebos

Er erklärt auch, dass die Patienten häufig erkennen, ob sie ein Placebo bekommen, weil es keine Nebenwirkungen macht.

Eine Zeit lang gab es aktive Placebos. Diese erzeugen zum Beispiel Mundtrockenheit wie das Medikament. Das war nicht im Sinn der Pharmaindustrie.

Bei vielen Studien kommt nur eine geringe Wirksamkeit des Präparates heraus, durch geschickte Rechenoperationen kann man diese aufblasen, ebenso durch Wiederholungen, denn bei irgendeiner Studie wird schon das richtige Ergebnis kommen.

Eine praktische Methode festzustellen, wie viele Menschen von einer Behandlung profitieren, ist die "Number Needed to Treat" (NNT), also die Anzahl der notwendigen Behandlungen. Am Beispiel der Cholesterinsenker (Statine) stellt er fest, dass sich für Gesunde mit erhöhtem Cholesterin keine NNT angeben lässt, weil sie von der Behandlung nicht profitieren, viele aber wegen Muskelschmerzen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind.

2.4. Klinische Studien: ein gebrochener Gesellschaftsvertrag mit Patienten

Seit die Pharmaindustrie ein Monopol auf Studien zu ihren eigenen Produkten hat und nur das veröffentlicht, was für sie günstig ist, wird dieser Gesellschaftsvertrag immer wieder gebrochen.

Die Industrie verheimlicht nicht nur negative Studien, sie schüchtert auch Leute ein, die schädliche Nebenwirkungen ihrer Medikamente entdecken.

Sie ändert heimlich die Studienziele, wenn das gewünschte Ergebnis nicht herauskommt, dafür aber etwas anderes oder legt Studien so an, dass sich die Ergebnisse kaum widerlegen lassen.

Unseren Regierungen ist es nicht gelungen, die mächtigen Pharmakonzerne zu regulieren und wissenschaftliche Objektivität und Neugier vor dem Kommerz zu schützen.

Irreführende Ergebnisse, Datenmassage und Angelausflug

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prüfte man Medikamente kaum, bevor sie auf den Markt kamen, was unter anderem 1961/62 zum Contergan-Skandal ("Thalidom..") führte.

Das Medikament empfahl der Hersteller Grünenthal GmbH unter anderem gegen Schwangerschaftsübelkeit. Daraufhin kamen gehäuft Kinder mit fehlenden Gliedmassen zur Welt. Erst dann wurden umfangreiche Tierversuche und Wirksamkeitsstudien eingeführt. Es blieb aber weiterhin eine Menge alter ungeprüfter Medikamente auf dem Markt.

Dass die Pharmaindustrie für die Zulassung eines Medikamentes lediglich eine statistisch signifikante Wirkung in zwei Placebo-kontrollierten Studien nachweisen muss, bedeutet ein weiteres Problem.

Ein Pharmaunternehmen verfügt über zahlreiche Möglichkeiten, seine klinischen Studien zu manipulieren und dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse ihren Pharmavertretern nützen, einerlei, was seriöse wissenschaftliche Methoden zutage gefördert hätten. Die Manipulationen sind so häufig und so schwerwiegend, dass einer meiner Kollegen meinte, wir sollten veröffentlichte Berichte über Studien der Pharmabranche nur als Werbung für ihre Medikamente betrachten. Vorauf ich nur antwortete, die Studien der Pharmaunternehmen genügten nicht einmal den EU-Regeln über Werbung. (S. 99)

Eine starke Verzerrung zu Gunsten des Medikamentes des jeweiligen Sponsors wurde bei 3 grossen Herzinfarktstudien von unabhängigen Wissenschaftlern aufgedeckt: Die Namen der Medikamente, Studien und Sponsoren waren "Prasu...." der TRITON-Study für Daiichi Sanyko und Eli Lilly, die PLATO-Study für Ticagrelor von AstraZeneca, wo die Zahl der Herzanfälle unter dem Vergleichsmedikament verdoppelt wurden.

In der RECORD-Study für "Rosiglitaz.." von GlaxoSmithKline fiel die Zahl der Herzinfarkte unter "Rosiglitaz.." angeblich von 24 auf 8. Dazu musste man allerdings auch die Definition des Herzinfarktes etwas ändern.

Wenn die Hauptstudie gar nichts Positives ergibt, kann man sich immer noch in Subgruppenanalysen flüchten.

Die Praxis, Daten so lange zu durchforsten, bis man zufällig etwas findet, nennt man Datenmassage oder Angelausflug.

So ein Angelausflug führte zur Empfehlung, Patienten mit Rückenmarksverletzungen hoch dosiert Cortison zu geben. 14 Jahre und tausende Tote später stellte man fest, dass von jeweils 31 Patienten, die mit Cortison statt mit Placebo behandelt worden waren, einer starb.

Solange Studiendesigns von den Firmen bestimmt werden und die Daten nur mit ihrer Zustimmung veröffentlicht werden dürfen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn unsere Medikamente zwar teurer, aber nicht besser werden.

Fortune 500 (die 500 umsatzstärksten Unternehmen)-Bericht 2012: Die Gewinne der zehn umsatzstärksten Pharmaunternehmen übertrafen die addierten Gewinne der 490 anderen Firmen.

Die gigantische CRASH-Study von The Lancet über die Wirkung von Steroiden bei 10'000 Menschen mit schweren Gehirnverletzungen belegte, dass Steroide da sehr schädlich sind. Auf 31 Patienten, die mit Steroiden anstatt mit Placebos behandelt worden waren, kam ein zusätzlicher Todesfall. Tausende von Patienten mit Verletzungen des Rückenmarks oder des Gehirns starben, weil man ihnen Steroide verabreicht hatte, und der Angelausflug des New England Journal of Medicine ist für viele dieser Todesfälle verantwortlich.

Weiterer Link in Englisch: Why we can't trust clinical guidelines. (S. 111)

2.5. Interessenskonflikte der medizinischen Fachzeitschriften

Für medizinische Fachzeitschriften wird es immer schwieriger von der Pharmaindustrie unabhängige Autoren zu finden. Sie können auch nur schwer "industrielastige" Beiträge ablehnen, weil ihnen dann die Einnahmen für lukrative, also von Firmen bezahlte Sonderdrucke und Werbung verloren gehen.

Das bestätigt auch der ehemalige Herausgeber des British Medical Journal.

New England Journal of Medicine (NEJM)

Nach Meinung des Autors betrifft das besonders das New England Journal of Medicine (NEJM). Als Beispiel bezeichnet er einen Artikel über ein Mittel von Pfizer gegen invasive Pilzinfektionen. Es gab zwei Studien, die Sie bei uns nur als Mitglied in Auszügen einsehen können (siehe Link ganz oben):

Das zu untersuchende neue Mittel gegen schwere Pilzinfektionen gab man 77 Tage, das Vergleichsmedikament nur 10.

Das schliesst einen sinnvollen Vergleich aus. Der letzte Satz der Zusammenfassung lautete: 'Bei Patienten mit invasiver Aspergillose führte die Erstbehandlung mit .... zu besseren Ergebnissen und erhöhte die Überlebensrate; es gab weniger schwere Nebenwirkungen als bei der Standard-Erstbehandlung mit ....' Eine Studie, deren Design schwere Mängel aufweist, erlaubt keine derartige Schlussfolgerung.

Mit der Veröffentlichung von schrecklich fehlerhaften Studienabschlussberichten dieser Art verdient das New England Journal of Medicine nicht nur eine Menge Geld durch den Verkauf von Sonderdrucken, sondern es vergrössert dadurch auch ihren Impact-Faktor oder Einflussfaktor, der widerspiegelt, wie häufig die Artikel der Fachzeitschrift in anderen Beiträgen zitiert werden, weil die Unternehmen meist zahlreiche von Ghostwritern verfasste Sekundärveröffentlichungen in Auftrag geben, die sodann die Studienberichte zitieren. (S. 117)

Der Autor zeigt das Versagen an verschiedenen Studien, so gipfelte eine weitere fehlerhafte Studie, die es ins NEJM schaffte, in der- nach Meinung des Autors- sinnlosen Empfehlung, allen Patienten mit Raucherlunge ein bestimmtes Cortison (bzw. Glucocorticoide) zu geben. Besonders schwer haben es Fachzeitschriften für Spezialgebiete. Sie sind von wenigen Firmen und Autoren abhängig.

Eine sehr firmenunabhängige Zeitschrift ist -laut Autor- das British Medical Journal (BMJ).

2.6. Der korrumpierende Einfluss des leicht verdienten Geldes

Der Autor erzählt aus eigener Erfahrung, wie Korruption beginnen kann. Er hatte an der Konferenz über die Studie einer bestimmten Firma teilgenommen. Am Abend überreichte ihm der Leiter der Abteilung für klinische Studien einen Umschlag mit einem Geldbetrag.

Wer das Geld behält signalisiert der Firma, dass er möglicherweise für Bestechung offen ist.

Am Anfang sind es Beträge, die der erbrachten Leistung entsprechen könnten. Mit der Zeit werden sie höher und irgendwann fällt es den Betroffenen gar nicht mehr auf, wie unverhältnismässig viel Geld sie da erhalten. Natürlich sind sie der Firma verpflichtet und müssen nun das teurere und oft auch schlechtere Medikament empfehlen oder an ihrer Abteilung weiterverwenden, obwohl es inzwischen ein billigeres Generikum gäbe.

Einflussreiche Freunde in Politik und Justiz

Redaction comment

Anmerkung EE: Auf Seite 121 findet sich die Aussage über den Umschlag. "Er enthielt einen Brief, in dem man mir für meinen Beitrag zum eintägigen Treffen dankte, und einen Tausend-Dollar-Schein. Ich hatte nie zuvor einen so grossen Geldschein gesehen und begriff, dass so die Korruption beginnt."

Nach meiner Ansicht muss das ein Übersetzungsfehler sein, denn Tausend-Dollar-Scheine wurden letztmals 1945 gedruckt und 1969 zurückgezogen. Allerdings gelten sie weiterhin als legales Zahlungsmittel.

Wikipedia dazu: "Banknoten mit einem Wert über 100 US-Dollar werden heutzutage nicht mehr ausgegeben, gelten jedoch weiterhin als legales Zahlungsmittel, wobei allerdings ihr Sammlerwert den Nennwert heute bei weitem übersteigt. Die meisten Exemplare, die sich noch im Umlauf befinden, sind im Besitz von Sammlern und Museen."

Natürlich haben die Pharmafirmen auch in Politik und Justiz einflussreiche Freunde.

Ein Beamter im Office of the Inspector General (Rechnungshof) in Pennsylvania stellte fest, dass Pfizer und Janssen über ein schwarzes Konto Geld an Beamte überwiesen, damit sie Richtlinien erarbeiteten, nach denen billigere alte durch teurere neue Medikamente ersetzt würden. Daraufhin erklärte ihm sein Vorgesetzter, er solle sich nie wieder in diesem Amt sehen lassen, denn die Pharmaunternehmen bezahlten beide politischen Lager.

Redaction comment

Anmerkung Dr. med. LÖ: Die Übernahme der Aussage aus "The Drug Pushers" aus The Atlantic, eine Pizza oder ein Penlight würden so viel für das Selbstvertrauen der Ärzte tun, dass dadurch schon bestochen werden könnten, halte ich für eine Beleidigung der "kleinen Ärzte" an der Basis, die wirklich mit Patienten arbeiten. So gering ist unser Selbstwertgefühl nicht und so wenig sind wir auch nicht wert, dass wir dafür schon etwas verordnen würden von dem wir nicht überzeugt sind.ontent

Redaction comment

EE: Die Aussage dort: "A particular gift may have no influence, but it might make a doctor more apt to think that he or she would not be influenced by larger gifts in the future. A pizza and a penlight are like inoculations, tiny injections of self-confidence that make a doctor think, I will never be corrupted by money."

2.7. Was tun tausende von Ärzten, die Geld von der Industrie bekommen?

Ein kleiner Teil der Ärzte arbeitet tatsächlich in der Forschung. Die meisten aber helfen den Firmen ihre Produkte zu verkaufen. Das ist deshalb nötig, weil es nur selten wirklich neue und bessere Medikamente gibt.

2009 überprüfte die Zeitschrift "Prescrire" (Frankreich) 109 "neue" Medikamente und stellte nur bei dreien einen kleinen therapeutischen Durchbruch fest - und bei 19 ein Gesundheitsrisiko.

Seeding Trials (Studien ohne wissenschaftlichen Wert und ohne Kontrollgruppe)

Um die 106 nicht wirklich nötigen Produkte zu verkaufen, braucht man viele Helfer. Da gibt es von Firmen gesponserte klinische Studien, die nur dazu dienen, den Marketingabteilungen Argumente für den Verkauf zu liefern.

Die schlimmsten dieser Studien sind die Seeding Trials. Das sind Studien ohne wissenschaftlichen Wert und ohne Kontrollgruppe. Man gibt Ärzten einen Vorrat eines neuen Medikamentes und bezahlt sie für jeden Patienten, bei dem sie das Mittel anwenden. Die Ärzte glauben meist tatsächlich, dass sie etwas für die Wissenschaft tun.

Teuer kommen gekaufte Meinungsmacher. Sie bekommen viel Geld dafür, dass sie gelegentlich ihren Namen für eine Empfehlung hergeben oder keinen negativen Artikel über ein schlechtes oder überteuertes Mittel schreiben.

Hormonersatztherapie (HET)

Auch für von Firmen bezahlte Fortbildungen braucht man eine Menge Vortragender, die erklären, warum das Produkt der Sponsorfirma besser ist und ob man es nicht auch für nicht zugelassene Indikationen anwenden könnte.

Ein berüchtigtes Beispiel für nicht zugelassene Anwendung war die so genannte Hormonersatztherapie (HET) für Frauen bis zum Lebensende. Diese hat man als Vorbeugung gegen koronare Herzkrankheiten gepriesen, bis sich herausstellte, dass sie ganz im Gegenteil Herzkrankheiten verursachte.

Siehe die Eine-Million-Frauen-Studie.

YouTube from the agenda.tvo.org, David Healy: Bad Medicine 13 Min. from 21.March 2012.© CC-by-sa 2.0, David Healy, MD, The Agenda

YouTube video in Englisch, 13 Min, Prof. Dr. David Healy über "Bad Medicine".

Wikipedia: Die Verwendung von HET-Präparaten bei Frauen in der Altersgruppe von 50 bis 64 Jahren führte in Grossbritannien zwischen 1993 und 2003 zu geschätzten 20'000 zusätzlichen Brustkrebserkrankungen.

2.8. Aggressive Verkaufsstrategien

Klinische Studien der Pharmafirmen sind oft getarntes Marketing. Das veranschaulicht der Autor an der Studie zu einem Rheumamittel mit viel zu wenig Probanden.

Ein anderes Beispiel sind Cholesterinsenker-Studien (Statine), bei denen jeweils das Mittel der Sponsorfirma viel besser abschnitt als das Produkt der Konkurrenz.

Wenn A grösser ist als B und B grösser ist als C, dann kann C nicht grösser sein als A

Gøtzsche zeigt uns zahlreiche Tricks mit Beispielen dazu und schreibt schliesslich zu einem anderen Beispiel:

Warum "Olanzap.." besser ist als "Risperi...", "Risperi..." besser als "Quetiap.." und "Quetiap.." besser als "Olanzap..": eine explorative Analyse von direkten Vergleichsstudien über Antipsychotika der zweiten Generation. Mathematisch betrachtet kann das nicht stimmen. Wenn A grösser ist als B und B grösser ist als C, dann kann C nicht grösser sein als A.

Wie schon erwähnt, lässt man gerne Artikel von Ghostwritern schreiben. Diese zitiert man dann in anderen Artikeln und in Werbematerial, als wären sie von einem anderen Autor. Noch besser ist es natürlich einen angesehenen Experten zu gewinnen, der dafür seinen Namen hergibt, ohne Einfluss auf den Inhalt des Artikels zu haben. Als ein potentieller Autor Änderungen forderte, wurde der Artikel unter dem Namen eines anderen Forschers veröffentlicht. (S. 151)

Professor Dr. med. David Healy berichtete, wie offen manche Unternehmungen gegenüber Ärzten sind. Er bekam z.B. dieses Schreiben: Wir liessen unseren Ghostwriter einen ersten Entwurf schreiben, der auf Ihren veröffentlichten Arbeiten basierte. Ich füge ihn hier bei.

Als Prof. Healy unzufrieden war mit dem überschwänglichen Lob für ein Medikament und Änderungen vorschlug, erhielt er die Antwort, er habe einige kommerziell wichtige Punkte übersehen - und das Unternehmen veröffentlichte den Artikel unter dem Namen eines anderen Forschers.

Doch für ein erfolgreiches Marketing braucht man nicht unbedingt Literatur. Eine aggressive Werbekampagne tut es auch, wie der Autor am Beispiel des Magensäurehemmers "Zant.." (Ranitidin) beweist.

Magensäurehemmer "Zant.." (Ranitidin)

Bis 1977 mussten Magengeschwüre häufig operiert werden und gelegentlich starben auch Leute an Magenblutungen. Dann entwickelte James Whyte Black von der Firma Smith Kline & French Cimetidin, das 1976 als Tagamet auf den Markt kam. Dafür bekam er 1988 den Nobelpreis.

1983 brachte GlaxoSmithKline ein sehr ähnliches Präparat in den Handel: Ranitidin als "Zant..". Es war nicht besser, aber durch einen um 50 % höheren Preis wurde eine Überlegenheit suggeriert. Dazu kam eine riesige Werbekampagne, die Sodbrennen zur behandlungsbedürftigen Volkskrankheit Nummer 1 machte.

Schon nach 3 Jahren war "Zant.." das meistverkaufte Medikament der Welt. Bei Wikipedia können wir lesen: Ranitidin ist etwa zehnmal stärker in dieser Wirkung als Cimetidin, hat aber dennoch deutlich weniger Nebenwirkungen.

Heute gibt es Genericapräparate von Ranitidin als Junizac (D), Pylorisin (A), Ranic (A), Ranicux (D), Ranimed (CH), Raniprotect (D), Ranitic (D), Sostril (D), Ulcidin (CH), Ulsal (A), "Zant.." (A), Zantic (D, CH) und zahlreiche Generika.

Für die Firmen zahlt es sich also viel mehr aus, Geld in Werbung, Medikamentenmuster, gesponserte Fortbildung, bezahlte Experten und Pharmavertreter zu stecken als in ernsthafte Forschung und Studien.

Werbetrip in die Karibik

Es zahlt sich auf jeden Fall aus, die richtigen Experten auf einen Werbetrip in die Karibik einzuladen. Als Beispiel bringt der Autor die Einführung eines neuen Antibiotikums und eines Herzmittels, die nach so einem Urlaub von den Eingeladenen in ihren Kliniken drei Mal so häufig verwendet wurden.

Am Beispiel von "O", einem Mittel gegen Übelkeit bei Chemotherapie, zeigt der Autor wie sich die Firma mit Kleinststudien bemühte, auch eine Wirksamkeit bei Übelkeit nach Operationen nachzuweisen. Als das Patent abgelaufen war, hatte sich anscheinend auch die Wirksamkeit verflüchtigt.

Bücher über die meist unerwünschten Interaktionen zwischen Pharmaindustrie und Ärzten

Über bei Medikamenten meist unerwünschten Interaktionen zwischen Pharmaindustrie und Ärzten haben die Exherausgeber des NEJM bzw. des BMJ Bücher geschrieben: "The Truth About the Drug Companies, how they deceive us and what to do about it" von Dr. med. Marcia Angell, (geb. 1939) New York 2004, Random House.

Das oben erwähnte Buch von Dr. med. Marcia Angell gibt es auch in Deutsch als "Der Pharma-Bluff: Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist".

Das Buch "On The Take: how medicine's complicity with big business can endanger your health" von Prof. Dr. med. Jerome P. Kassirer, Oxford University Press, 2005 enthält die Aussage:

Some physicians become known as whores.

Dies ist in unmissverständlichen Worten ausgedrückt. Kassirer war ein Medizinprofessor mit grosser Erfahrung und kann sehr verständlich schreiben. Weil Kassirer ehrlich war, verlor er den Posten als Chefredakteur, doch auch seine Nachfolgerin, Marcia Angell blieb aufrecht und ehrlich.

Das Problem der medizinischen Fachzeitschriften von Format zeigt das Buch "The Trouble with Medical Journals" auf, das Richard Smith 2006 bei Taylor & Francis Ltd veröffentlichte.

Ein wichtiger Beitrag darüber ist auch im Journal of the Royal Society of Medicine (JRSM, Link zu Text in engl.) zu finden. JRSM schreibt unter seinen Text: "Richard Smith was editor of the BMJ and chief executive of the BMJ publishing Group for 13 years."

YouTube-Video: "Die Wahrheit über die Pharmaunternehmen" - Dr. Marcia Angell.© CC-by-sa 2.0, Marcia Angell, MD, YouTube
Video: Links das Bild für ein überzeugendes Video in Englisch, aber 1:17:36 h lang. Unter dem Namen von Dr. Marcia Angell findet man mehr Videos, die jeweils immer kürzer sind - und weniger aussagen.

Am Beispiel der Biologika (Biopharmazeutika) bei rheumatoider Arthritis zeigt Peter C. Gøtzsche, wie Expertengremien Empfehlungen für sehr teure Medikamente herausgeben, obwohl mit einer Kombination von 2 billigen Basismedikamenten die gleiche Wirkung erzielt werden könnte.

Er führt auch Beispiele für sinnlose teure Krebsmedikamente an, die möglicherweise das Überleben um 10 Tage verlängern, die Lebensqualität aber vermindern. Oft wäre eine billige Schmerztherapie für den Patienten besser.

Pfizer, Blutdrucksenker "D" und der ALLHAT-Studie

In der ALLHAT-Studie kam beim Vergleich verschiedener Mittel gegen Bluthochdruck heraus, dass "D" der Firma Pfizer weniger wirksam war als andere Medikamente. Daraufhin empfahl das American College of Cardiology "D" abzusetzen, änderte seine Meinung nach einigen Stunden nach Beschwerden von Pfizer wieder. Schliesslich spendete die Firma dem College jährlich eine halbe Million Dollar.

Redaction comment

Wikipedia reflektiert diese Studie so wie andere auch: Wenn ein vernichtendes Urteil bei anerkannter grosser Doppelblind-Studie zum Vorschein kommt, kontert die Industrie - und das ist z.B. gleich bei der Milchindustrie - mit zahlreichen Studien, die das Gegenteil aussagen - und für uns Konsumenten heisst es dann wie hier: "Die Bewertung der Studienergebnisse bleibt kontrovers."

Wer sollte danach anerkannte grosse Firmen in Frage stellen? Deren Helfer sind sowieso oft Insider von Wikipedia und blockieren jegliche Korrektur.

Als Beispiel für von der Pharmaindustrie bezahlte Experten bringt Peter C. Gøtzsche den Vorsitzenden der Dänischen Gesellschaft für Bluthochdruck, der immer die neuesten teuersten Medikamente seiner Sponsorfirmen empfahl.

Eine unrühmliche Rolle spielen auch von der Pharmaindustrie bezahlte Patientenorganisationen, z.B. Selbsthilfegruppen. Den Mitgliedern ist oft nicht klar, dass sie von den Firmen dazu benützt werden, die Einführung und Bezahlung von teuren oft unwirksamen Medikamenten durchzusetzen.

2.9. Unzureichende Arzneimittelüberwachung

Es gibt natürlich staatliche Zulassungsstellen für Medikamente, aber da die Konzerne die Studien erstellen oder erstellen lassen oder zumindest überwachen und danach nur Berichte darüber vorlegen müssen, sind diverse Tricks möglich, schädliche Wirkungen zu vertuschen. Zum Beispiel dient dazu ein mehrere Regale füllender Prüfbericht, in dem irgendwo auf einer Seite die gefährlichen Nebenwirkungen versteckt sind.

In den Arzneimittelüberwachungsbehörden gibt es Interessenskonflikte. Manche Beamte arbeiten quasi nebenamtlich als Berater für Firmen, die sie eigentlich überwachen sollten oder sind über Aktien sogar beteiligt. Wenn sie die Behörde nach einem besonders grossen Skandal verlassen müssen, warten schon lukrative Posten in der Pharmaindustrie auf sie.

Beispiele

Der Beamte, der "Vio.." zugelassen hatte, wurde danach ein ranghoher Berater bei der "Vio.."herstellerfirma Merck. "Vio.." ist ein Rheumamittel, das später wegen schwerer Herznebenwirkungen vom Markt genommen werden musste.

Wenn bei bereits zugelassenen Medikamenten unerwartete schwere Nebenwirkungen auftreten, dauert es oft lange bis sie vom Markt genommen werden, weil man einerseits der Firma nicht schaden will, andererseits sein Gesicht nicht verlieren will, weil man ein schlecht geprüftes Mittel zugelassen hat. Das Wohl der Patienten ist da bestenfalls drittrangig.

Ehemalige Mitarbeiter der Food and Drug Administration (FDA), der Arzneimittelzulassungsbehörde, berichten über weit verbreitete Korruption und Einschüchterung oder Versetzung von unbestechlichen Beamten. Ihre Computer überwacht man, manchmal bedroht man sogar ihre Angehörigen. (S. 179)

Als eine neue Verordnung für Beipackzettel herauskam, fügte man nach Ablauf der Einspruchsfrist stillschweigend einen neuen Paragraphen hinzu. Dieser schloss Gerichtsverfahren wegen Produkthaftung aus, auch wenn die Firma es versäumt hatte, vor einem bestimmten Risiko zu warnen, es sei denn, der Patient konnte nachweisen, dass die Firma ihn vorsätzlich betrogen hatte. (S. 178)

1993 flog in Italien ein Bestechungsskandal auf, in den der Gesundheitsminister, der Leiter der Medikamentenabteilung des Ministeriums und mehrere Wissenschaftler verwickelt waren. Sie waren für die Zulassung von extrem überteuerten und teilweise gefährlichen Medikamenten verantwortlich und hatten dem Staat einen Schaden von 3 Milliarden Dollar verursacht.

Die unerträgliche Leichtigkeit der Politiker (S. 183)

In den USA spendet die Pharmaindustrie grosszügig für Wahlkampagnen und politische Aktionen. Auf jedes Kongressmitglied kommt mehr als ein Lobbyist. Den grössten Anteil bekommen die Republikaner. Dafür versuchten sie 1994 die FDA abzuschaffen und die Arzneimittelzulassung und Überwachung der Pharmaindustrie zu überlassen!

Vorteil für die Industrie

Die Lobbyarbeit war so erfolgreich, dass FDA-Beamte heute nicht mehr das Volk sondern die Industrie für ihren Auftraggeber halten und mit ihr über Leistungsziele verhandeln.

2002 wurde die Nominierung eines neuen FDA-Kommissars widerrufen, weil er zu viel Wert auf Unbedenklichkeit von Medikamenten legte.

Ein grosser Vorteil für die Industrie sind beschleunigte Verfahren, bei denen Arzneimittel die Zulassung ohne ausreichende Prüfung bekommen. Vorgesehen war das für dringend benötigte lebensrettende Medikamente. Ob dazu wirklich das x-te Mittel gegen Diabetes Typ 2, Schmerzen oder Fettleibigkeit gehört, ist fraglich - alle drei solcher Medikamente musste man später wegen schwerer Nebenwirkungen aus dem Handel nehmen.

Gute Lobbyarbeit brachte die EU-Kommission zu dem absurden Vorschlag, dass Medikamente auch dann in den Handel kommen sollten, wenn ihre Wirksamkeit nicht ausreichend bewiesen war.

Gegen diese und andere gefährliche Praktiken protestiert die Health Action Europe (HAI), eine grosse Verbraucherorganisation. Man sollte meinen das wäre Aufgabe der Politik. (S. 188)

Es gibt auch kleine Fortschritte: Die European Medicines Agency (EMA bzw. Europäische Arzneimittel-Agentur), sozusagen die europäische FDA, untersteht jetzt nicht mehr der Generaldirektion Unternehmen und Industrie sondern der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher. Auch die bis 2010 übliche extreme Geheimhaltung der Arzneimittelüberwachung wurde gelockert.

Die Wirtschaftstheorie sagt voraus, dass Firmen ihre Entscheidungsgrundlagen fälschen werden, wann immer ihre Gewinne die Kosten übersteigen. Wenn der Nachweis für die Aufsichtsbehörden teuer ist, dürfen wir mit einer umfangreichen Verfälschung der Entscheidungsgrundlage rechnen - zitiert der Autor von Prof. Dr. Alan Maynard, einem bekannten britischen Gesundheitsökonom. (S. 191)

GlaxoSmithKline, die SMART-Studie und Asthma Behandlung

Die Industrie behauptet immer wieder, die Arzneimittelüberwachung beruhe auf Vertrauen. Aber warum sollen wir glauben, dass ein Medikament nicht Krebs verursacht, nur weil die Versuchsratten nicht an Krebs litten, weil sie vorher an anderen Nebenwirkungen des Mittels starben? (EE: Wir leben viel länger als Ratten, die nur etwa 2 bis 3 Jahre erreichen).

Der Autor führt die SMART-Studie von GlaxoSmithKline zu Todesfällen unter "Salmet...." (nur in engl. kommt die Kritik bei Wikipedia) einem lang wirksamen Beta-2-Agonisten für Asthmatiker an. GlaxoSmithKline schickte der FDA manipulierte Daten. Die Studie dauerte 28 Wochen. Die Forscher konnten noch weiter 6 Monate ernste Nebenwirkungen melden.

Die Firma schloss die Daten der Nachbeobachtungsphase in die Studie ein und gestand erst auf Nachfrage, dass nur ein Teil von einer randomisierten Doppelblindstudie stammte. Die Studie ergab eine Zunahme von Todesfällen von Asthmatikern, die mit "Salmet...." behandelt wurden. Der Autor empfiehlt, "Salmet...." aus dem Handel zu nehmen, die FDA, sie nur zu verwenden, wenn andere Asthmamittel versagen.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Welche anderen? Als alte Ärztin habe ich noch die Zeit mit folgenden Medis erlebt: hoch dosiertes Cortison, Atropin, Adrenalin (im Status asthmaticus - sind für das Herz auch ziemlich verheerend), Theophyllinen, Antihistaminika, Parasympatholytika als Anticholinergikum, auch Parasympathicolytikum, Muskarin-Rezeptor-Antagonist, Antiparasympathomimetikum oder Antimuskarinikum genannt (Ipratropiumbromid- klingt gut, ist aber meist nur in Kombination mit Betamimetika wirksam), "M...kast" - ist sehr teuer, hilft aber nur selten.

Seit Einführung der lang wirksamen Beta-2-Mimetika haben wir kaum noch schwere, für das Herz ebenfalls ungute Asthmaanfälle gesehen und die Spitalaufenthalte unserer Asthmatiker sind stark zurückgegangen.

Komischerweise werden sie auch älter. Da scheint der Unterschied zwischen Europa und den USA doch erheblich zu sein. Bei den kurz wirksamen Betamimetika teile ich die Meinung des Autors - die bringen die Asthmatiker wirklich um.

Zwei placebokontrollierte Studien, die eine Wirkung zeigen sind zu wenig. Die Firma kann ihre Studien beliebig oft wiederholen, bis sie zwei Studien zustande bringt, die eine Wirkung zeigen. Damit ein Medikament zugelassen wird, darf es nicht schlechter sein als die Produkte, die bereits auf dem Markt sind. Wie soll man das aber feststellen, wenn nur gegen Placebo getestet werden muss?

Die Deklaration von Helsinki und Studien mit Menschen

Es gibt eine Menge nicht verschreibungspflichtiger und unwirksamer Hustenmittel für Kinder auf dem Markt. Nebenwirkungen haben sie aber sehr wohl (Halluzinationen, Herzrhythmusstörungen...), trotzdem dürfen sie weiter in den Verkauf kommen.

Die Deklaration von Helsinki verlangt, dass die Ergebnisse von Studien mit Menschen zu veröffentlichen sind und medizinische Forschung mit menschlichen Probanden sich auf gründliche Kenntnisse der wissenschaftlichen Literatur stützen muss. (S. 221)

2008 entschied die FDA, dass Produkte in den USA zugelassen werden dürfen, die sich auf Studien im Ausland berufen, die nicht der Deklaration von Helsinki entsprechen. Man muss gar nicht die Nürnberger Ärzteprozesse bemühen. Die USA hatten ihre eigenen Experimente an Häftlingen oder die Tuskegee-Affäre bzw. Tuskegee-Syphilis-Studie, bei der 399 mit Syphilis infizierte schwarze Männer 40 Jahre lang ohne Behandlung beobachtet wurden, um den natürlichen Verlauf der Krankheit zu studieren.

Menschen in armen Ländern sind beliebte Versuchskaninchen, da besteht keine Gefahr, dass sie den Konzern wegen Gesundheitsschäden verklagen.

Das bekannteste Beispiel sind die Tests von oralen Verhütungsmitteln in Puerto Rico, Haiti und Mexiko, in einer späteren Phase an armen Frauen in den USA. Das amerikanische Berufungsgericht hob diesen Beschluss auf und entschied, dass auch für Pfizer die Deklaration von Helsinki gelte.

Pfizer musste den nigerianischen Familien, deren Kinder an Meningitis (Hirnhautentzündung) gestorben waren oder schwere Schäden erlitten hatten, Entschädigung zahlen. Die Kinder hatten ohne Wissen der Eltern an einer Studie mit einem Mittel von Pfizer teilgenommen, obwohl ein besseres Mittel zur Verfügung gestanden wäre. (S. 200)

Eine Wirkung bei Surrogatmarkern (Surrogatmarker) genügt nicht. Das sind zum Beispiel Laborwerte wie Blutzucker oder Cholesterin, deren Senkung allein noch keinen Einfluss auf längeres Überleben oder weniger Krankheitskomplikationen haben muss.

  • Ein Beispiel dafür ist das Diabetesmittel "Rosiglitaz..", das zwar den Blutzucker senkte, die Zahl der Herz-Kreislauftodesfälle aber erhöhte.
  • Ein weiteres Beispiel waren Mittel gegen Herzrhythmusstörungen. Sie normalisierten zwar das EKG, aber es starben jährlich etwa 50'000 Menschen daran.
  • Ein anderes Beispiel waren Krebsmedikamente, die zwar den Tumor schrumpfen liessen, das Überleben aber nicht verlängerten.

Medikamente mit potentiell schädlichen Wirkungen werden ohne ausreichende Daten über die Sicherheit zugelassen

Die Behörde sollte eigentlich Medikamente mit potentiell schädlichen Wirkungen nicht ohne ausreichende Daten über die Sicherheit zulassen. Trotzdem wurden die COX-2-Hemmer, wie "Vio.." und Co zugelassen, obwohl ihre Wirkungsweise auf ein erhöhtes Sterberisiko an Herz-Kreislauf-Komplikationen hinwies.

Die manchmal verlangten Überwachungsstudien nach Zulassung werden oft nicht durchgeführt, weil die Strafen so gering sind. Was sind schon 10 Millionen Dollar für einen Pharmakonzern? Zudem: Zu viele Warnungen auf unendlich langen Beipackzetteln kann sich kaum jemand merken oder ständig durchlesen.

Am Beispiel des Beipackzettels eines Statins (Blutfettsenkers), stellt der Autor fest, dass das Mittel zwar Lipide senken kann, aber nicht das Risiko an Herz-Kreislauf-Komplikationen zu erkranken oder zu sterben, dafür kann es Rhabdomyolyse (Muskelauflösung), Nierenversagen, Leberschäden und Blutzuckerspiegelerhöhung verursachen.

Es kommen immer wieder gefährliche Medikamente zur Zulassung, von denen man nicht einmal weiss, ob sie wirksam sind.

  • Beispiel: Cisrapid, z.B. als Marke Alimix und Propulsin vertrieben. Dieses Mittel, das die Magenentleerung fördern sollte, verursachte Todesfälle durch Herzrhythmusstörungen. Das stand natürlich irgendwo im Beipackzettel. Nachdem das Mittel vom Markt genommen worden war, gestanden die Firmenvertreter, dass sie nie herausgefunden hätten, ob das Mittel auch wirkte.

Polypharmazie (Multipharmacy (engl., gut!), Polypragmasie): Viele, vor allem ältere Menschen, nehmen mehrere Medikamente ein. Oft weiss man nicht, welchen Einfluss die verschiedenen Mittel aufeinander und auf den Patienten haben.

Manchmal hilft schon das Absetzen einiger Medikamente, dass "Demenz", Verwirrtheit und Schwindel verschwinden.

Peter C. Gøtzsche setzt Medikamente ab, wenn die Menschen ins Krankenhaus kommen.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Wir lassen Medikamente weg, wenn die Patienten aus dem Krankenhaus kommen - Lipidsenker bei bisher gesunden 80-jährigen, Blutdruckmittel zum Erreichen von "jugendlichen" Drucken, die Schwindel verursachen, Schlafmittel etc. Beim nächsten Krankenhausaufenthalt oder Besuch beim Internisten bekommen sie alles wieder.

2.10. Öffentlicher Zugang zu den Daten der Arzneimittelbehörden

Die Pharmaindustrie behauptet, Studien und Studiendaten seien ihr Geschäftsgeheimnis. Auch die FDA meint, sie dürfe Falschaussagen der Firmen nicht berichtigen, weil sie nicht befugt sei die Öffentlichkeit zu informieren. Im Durchschnitt wird die Hälfte der Studien nie veröffentlicht, dafür gibt man günstige Studien oft mehrmals heraus, als wären es unterschiedliche Studien.

European Medicines Agency (EMA): Access to clinical-trial data and transparency

In Wirklichkeit gehörten alle (auch und gerade die negativen) Studien mit Patienten oder gesunden Freiwilligen der Öffentlichkeit und jeder Interessierte müsste Zugang haben.

2007 forderten Gøtzsche und Jørgensen von der European Medicines Agency (EMA) Zugang zu allen Daten über Medikamente gegen Fettleibigkeit. Das wurde ihnen wegen kommerzieller Interessen der Firmen verweigert. Sie wendeten sich an den europäischen Ombudsmann Nikoforos Diamandouros. Dieser entschied, dass die Dokumente keine Geschäftsgeheimnisse enthielten und es im öffentlichen Interesse sei, sie herauszugeben.

Als die EMA nach drei Jahren immer noch nicht bereit war eine Einsichtnahme zuzulassen, wandten sie sich an die Presse. Daraufhin versuchte die EMA den Eindruck zu erwecken, sie sei immer dafür gewesen. 2010 beschloss die EMA, sie werde den öffentlichen Zugang zu Dokumenten ausweiten, einschliesslich der Studienabschlussberichte und der Prüfpläne. Der EMA-Direktor verliess die Behörde und gründete eine Beratungsfirma für die Pharmaindustrie.

Der neue Direktor, Guido Rasi, verkündete, es gehe nicht mehr darum, die Daten zugänglich zu machen, sondern nur noch wie.

Siehe European Medicines Agency: "Access to clinical-trial data and transparency". Workshop report von 2012.

Der Zugang zu Daten anderer Arzneimittelbehörden ist unterschiedlich schwierig. Grossbritannien vernichtet die Unterlagen nach 15 Jahren. Die FDA will präzise Anfragen, ohne zu verraten, was vorhanden ist, oder löscht Seiten.

Schlankheitspillen

Am Beispiel der Schlankheitspillen (Anorektikum) zeigt der Autor, wie die Firmen mit allen Mitteln kämpfen, um diese gefährlichen, kaum wirksamen, aber gewinnbringenden Medikamente auf den Markt zu bringen und trotz zahlreicher Todesfälle dort zu halten.

Die meisten haben eine amphetaminartige Wirkung (Aufputschmittel, Upper). Die Gewichtsabnahme beträgt etwa 3 % gegenüber Placebo, gegenüber dem Ursprungsgewicht aber nur 1,5 %. Dafür können sie Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie) verursachen. Daran stirbt man auf jeden Fall.

Eine weitere Nebenwirkung, nämlich Herzklappenfehler, zeigte sich schon in Rattenversuchen, trotzdem wurde Redux der Firma Wyeth zugelassen. Die Firma bestach Beamte der Zulassungsbehörde und kaufte Experten - das alte Lied.

2.11. "N": ein Epilepsie-Medikament für alles

Die Firma Pfizer bezahlte 2004 27 Millionen Dollar Strafe, weil sie ihr Epilepsiemittel "N" mit dem Wirkstoff "G" für nicht zugelassene Anwendungen verkaufte. Eine Kleinigkeit bei einem Umsatz von 2,7 Milliarden.

Pharmavertreter, die in Arztpraxen mit Patienten sprechen

Warner-Lambert, die Patentinhaberin für "GG, die Pfizer später übernahm, bezahlte Ärzte dafür, dass Pharmavertreter in ihrer Anwesenheit den Patienten "N" gegen zahlreiche Beschwerden empfahlen.

Das war gegen bipolare Störungen (manisch-depressiv), Schmerzen, Migräne, Aufmerksamkeitsdefizit, Restless Legs Syndrom und Entzug von Drogen oder Alkohol. Pharmavertreter, die in Arztpraxen mit Patienten sprechen, scheinen in den USA häufig zu sein.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Bei uns habe ich so etwas nie erlebt, was Dr. GØTZSCHE da schreibt: Wichtige Personen, also z.B. Fachbereichsleiter von Universitäten, klinischen Programmen oder Abteilungen etc., hat man zu Luxusreisen eingeladen oder sie bekamen hohe Honorare für Vorträge über "N". Andere wurden dafür bezahlt, dass sie ihren Namen für Artikel von Ghostwritern hergaben.

Pfizers Offenheit: Was die illegale Vermarktung anbelangte, verfolgte das Unternehmen eine gezielte Veröffentlichungsstrategie: Die Ergebnisse werden ... veröffentlicht, wenn sie positiv sind. (S. 237)

Trotz teilweiser Entblindung (teilweise Blindstudie) bei Planung der Studie für andere Anwendungen von "N", liess sich für viele Indikationen keine Wirkung zeigen, nur Nebenwirkungen.

Pfizer informierte Ärzte und Patienten nie darüber, dass "N" den Studien zufolge bei einigen unzulässigen Anwendungen nicht wirksamer waren als ein Placebo. (S. 240)

2.12. Merck - wo die Patienten zuerst sterben

Schon vor Markteinführung wusste die Firma Merck, dass "Vio..", wie alle Cox-2-Hemmer, das Thromboserisiko und damit das Herzinfarktrisiko erhöht, weil es die Prostacyclin-Metaboliten im Urin gesunder Freiwilliger bei Studien um die Hälfte reduziert hatte. Merck versteckte diese Nebenwirkung aber in dem bedeutungslosen Satz: COX-2-Hemmer können bei der systemischen Biosynthese von Prostacyclin eine Rolle spielen.

"Vio.." hat etwa 120'000 Todesfälle verursacht, bis es endlich vom Markt genommen wurde

Menschen mit Herz-Kreislauf-Risiko wurden daraufhin nicht in die VIGOR-Studie aufgenommen. Das war eine Vergleichsstudie mit älteren NSAR (nichtsteroidales Antirheumatikum, Antiphlogistikum). Obwohl es auch in dieser Studie ohne Risikopatienten mehr Herzinfarkte gab, wurde diese Beobachtung verheimlicht.

Studien, die ein erhöhtes Herzrisiko belegten, kamen erst zur Veröffentlichung, als das Medikament schon nicht mehr auf dem Markt war. Die fehlerhafte VIGOR-Studie hat man im NEJM veröffentlicht. Obwohl Wissenschaftler auf Fehler hinwiesen, druckte NEJM keine Berichtigung ab.

Obwohl das Thromboserisiko noch ein Jahr nach Absetzen von "Vio.." erhöht sein kann, ignorierte die Firma alle Ereignisse, die später als 2 Wochen nach Beendigung der Therapie auftraten. Nach Schätzungen des Autors hat "Vio.." etwa 120'000 Todesfälle verursacht, bis es endlich vom Markt genommen wurde.

Redaction comment

EE: Siehe auch unter "Rofec....." Wikipedia: "2009 wurde bekannt, dass Merck vor der Marktrücknahme eine interne Liste mit Kritikern des Medikaments führte, die mundtot gemacht werden sollten."

2.13. Die betrügerische "C"-Studie und andere Lügen

Hier kommt noch einmal eine ähnliche Geschichte, diesmal geht es um den Wirkstoff "C" (in Produkt "C"), den COX-2-Hemmer der Firma Pfizer. Da hat Pfizer zwei Studien gegen Diclofenac bzw. Ibuprofen mit verschiedenen Prüfplänen mit den jeweils günstigeren Ergebnissen zu einer zusammenfassen lassen und die Studiendauer auf 6 Monate verkürzen lassen.

Die Firma beschränkte sich bei ihrer Veröffentlichung auf die angeblich bessere Magenverträglichkeit, um die Herznebenwirkungen sei es nicht gegangen, die betroffenen Patienten waren einfach aus der Studie ausgeschieden worden. Als sich die Erhöhung der Herzinfarkt Todesfälle (etwa 100'000) nicht mehr verheimlichen liess, verlangte die FDA einen Hinweis im Beipackzettel.

Produkt "C"

Der sah dann so aus: Selektive COX-2-Hemmer können möglicherweise mit einem Risiko für thromboembolische Ereignisse verbunden sein (S. 255).

Als "Vio.." 2004 vom Markt genommen wurde, nützte Pfizer die Gelegenheit, zu behaupten, man habe die Daten von 400'000 Patienten analysiert, und es habe sich unter "C" kein erhöhtes Herzinfarktrisiko gezeigt.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Das Medikament ist heute noch auf dem Markt, doch zum Glück zahlen es viele nationale Gesundheitssysteme nicht mehr. So verkauft es sich zum Glück für die Patienten weniger. Ohne die schamlose und aggressive Werbung wären wir nie auf die Idee gekommen "V" oder "C" zu verschreiben. Aber das Versprechen von NSAR ohne Magennebenwirkungen war schon sehr verlockend.

2.14. Teure Medikamente als Ersatz für billige bei denselben Patienten

Als erstes Beispiel bringt der Autor die Umstellung von Diabetikern auf neue teurere Hormone ("I"), die nur bei häufiger schwerer Unterzuckerung einen Sinn hätten.

Wie Firmen nach Ablauf des Patentes weiterhin ihr teures Medikament verkaufen können

Ein Beispiel, wie Firmen nach Ablauf des Patentes weiterhin ihr teures Medikament verkaufen können, ist der Trick mit den Stereoisomeren, auch "evergreening" (Immergrün) oder "me-again" (ich schon wieder) genannt.

Es gibt Medikamente mit zwei spiegelbildlichen Hälften, von denen meist nur eine aktiv ist. Nach Ablauf des Patents lässt sich die Firma dann die aktive Hälfte patentieren und startet eine intensive Werbekampagne, in der sie behauptet, dieses Mittel sei wirksamer, was nicht stimmt, aber doch viele Ärzte daran hindert, billigere Generika zu verschreiben.

Beispiel zu einem Mittel gegen Magengeschwüre: Als das Patent für den Protonenpumpenhemmer "Omepraz.." ("Los..", "Prilos..") auslief, brachte AstraZeneca die aktive Hälfte als "Esomepraz.." (Nexium) auf den Markt.

Dies mit fehlerhaften Studien: 40 mg Nexium gegen 20 mg Losec "bewies" die Firma, dass eine Substanz besser als sie selbst sei (S. 265). Das Verhältnis hätte eigentlich ja umgekehrt sein müssen! Dafür war Nexium 30 Mal so teuer.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Das beruhigt mich. Ich habe nie viel von Nexium gehalten und es nur weiterverordnet, wenn es die Patienten von einem Facharzt erhielten und unbedingt darauf bestanden, es weiter zu nehmen.

Die Firma AstraZeneca gab allein in den USA im 1. Jahr 500 Millionen Dollar für Nexium-Werbung aus.

2.15. Blutzuckerspiegel in Ordnung, Patient tot

Hier geht es um den Blutzuckersenker der Firma GlaxoSmithKline. Obwohl Vergleichsstudien der Firma schon vor Zulassung ein erhöhtes Herzinfarktrisiko gegenüber .... feststellten, schloss die Firma daraus nur, keine weiteren Vergleichsstudien mehr durchzuführen und die Daten zu verheimlichen.

Obwohl das Medikament mehr Herzinfarkte auslöste als Placebos oder aktive Vergleichspräparate, liess die FDA das Mittel 1999 zu. Aber das Medikament erhöhte laut Packungsbeilage das LDL-Cholesterin um 19 Prozent, was die schädliche Wirkung auf das Herz erklärt. (S. 269)

"Wundermittel"

Ein Jahr später lenkte auch die EMA in Europa auf Drängen von angesehenen Mitgliedern der Diabetescommunity ein und liess das Mittel ebenfalls zu. Die Diabetescommunity wollte auf das neue "Wundermittel" nicht verzichten.

2004 machte die WHO die Firma auf Herzprobleme aufmerksam, die diese sogar der FDA und EMA meldete. Eine Studie durch GlaxoSmithKline bestätigte das im Jahr 2006. Keine Organisation veröffentlichte jedoch eine Warnung, weil das ein Geschäftsgeheimnis der Firma sei.

Unabhängige Wissenschaftler schickten ihre Metaanalyse über "Rosiglitaz.." an das New England Journal of Medicine. Dieses schickte den Artikel an die Firma, worauf diese eilends den Zwischenbericht einer entblindeten Firmenstudie veröffentlichte. Nach objektiver genauer Prüfung der einzelnen Patientenbögen der RECORD-Studie stieg die angeblich gegenüber Pioglitazon gleiche Herzinfarkthäufigkeit .

Das ist auch kein Wunder, weil "A" den Cholesterinspiegel erhöht. 2009 begann die Firma mit einer neuen Studie, die noch bis 2015 laufen sollte. Zum Glück wurde das Mittel in Europa aus dem Handel genommen. In den USA kann man es, mit einem neuen Beipackzettel versehen, immer noch kaufen.

Die Glitazone, also "I"-Sensitizer, haben auch noch andere unerwünschte Eigenschaften, zum Beispiel das Auftreten von Blasenkrebs zu begünstigen (Pioglitazon) oder Leberversagen zu bewirken, wie "Troglitaz.." (engl.) - das deswegen aus dem Handel genommen wurde.

Ein weiteres Diabetesmittel ist "L" (engl., Produkt "V") ein Glucagon-like Peptide 1 (Peptidhormon) der Firma Novo Nordisk. Unabhängige Forscher stellten ein erhöhtes Risiko für Bauchspeicheldrüsenentzündungen (Pankreatitis) und -Krebse (Pankreastumor) unter "Victo.." fest und veröffentlichten die Ergebnisse auf der Homepage der Zeitschrift Gastroenterology. Die Firma Novo Nordisk brachte die Zeitschrift dazu, den Artikel zurückzuziehen.

Schon bei der Zulassung des Medikamentes bestanden ernsthafte Sicherheitsbedenken, aber Geschäftsinteressen setzten sich durch.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Kuriosum am Rande: die einzige unserer Patientinnen, die auf Verordnung einer Diabetesambulanz mit Viktoza behandelt wurde, bekam tatsächlich ein Pankreaskarzinom - genützt hatte es ihr nicht einmal für die Surrogatparameter (Messwerte) Gewicht und Zuckerspiegel.

Das einzige Medikament gegen Diabetes Typ 2, das die Lebenserwartung der Diabetiker erhöht, ist das billige, alte "M". Einziger Nachteil : bei geschädigter Niere, einer Diabeteskomplikation, kann man es leider nicht geben.

2.16. Die Psychiatrie, das Paradies der Pharmaindustrie

Die Definition von psychiatrischen Störungen ist schwierig. In den USA gibt es das inzwischen berüchtigte "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (DSM) der American Psychiatric Association (APA). In jeder neuen Version verwandelt man leichte Störungen in neue Krankheiten. Das ist gefährlich, denn Krankheiten rufen nach Behandlung. Das DSM beruht nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern ist ein Konsensusdokument über das man dort abstimmt.

Der Autor zitiert Dr. med. Marcia Angell, ehemalige Herausgeberin des New England Journal of Medicine so: Ich habe den grössten Teil meines Berufslebens damit verbracht, die Qualität der klinischen Forschung zu bewerten, und ich glaube, dass sie in der Psychiatrie besonders schlecht ist. Die von der Industrie finanzierten Studien ... werden selektiv veröffentlicht und sind meist Kurzzeitstudien. Sie haben ein Design, das das Medikament begünstigt, und weisen einen Nutzen aus, der so gering ist, dass er die langfristigen Schäden wahrscheinlich nicht überwiegt. (S. 292)

Prämenstruelle dysphorische Störung

Da gab es zum Beispiel die "prämenstruelle dysphorische Störung" (Dysphorie). Bei Tests stellte sich aber heraus, dass auch Frauen ohne Menstruation und Männer dieselben Symptome angaben. Trotzdem wurden die Frauen mit einem umbenannten und umlackierten "Pro..." (Fluoxetin), ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), behandelt. Ausserdem wird ihnen schlechte Laune oft als menstruationsbedingt vorgehalten.

Redaction comment

EE: Man unterscheidet zwischen dem prämenstruellen Syndrom (PMS), das öfters vorkommt, doch nur bei 3 - 8 % der Personen sind die Symptome derart, dass man es prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) nennt. Der Übergang zwischen PMS und PMDS ist fliessend. Letzteres ist für die Behandler "interessanter" ...

Forscher bestätigen, dass eine bestimmte Kombination aus Fettsäuren die Symptome lindern kann und schlagen eine Nahrungsumstellung vor. Salzreiche Speisen, Alkohol, Schokolade und Koffein sollten betroffene Personen in den letzten Tagen vor Einsetzen der Regelblutung strikt meiden.

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörug (ADHS), Depression und Bipolar-II-Störungen

Ein weiteres Beispiel ist die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörug (ADHS) bei Kindern. Laut Autor bekommt eine grosse Anzahl Schulkinder in den USA Medikamente gegen Auswirkungen von ADHS (ADHD). Im Jahr 2006 erhielt ein Viertel der Kinder in Sommerlagern diese Medikation. Die Zahl steigt mit dem Rückgang der Fördermittel für die Schulen.

ADHS-Medikamente sind Amphetaminanaloga (Aufputschmittel) und können Herzschäden verursachen oder bipolare Störungen (Manie-Depression) auslösen.

Aus normalen Trauerreaktionen nach Verlust von Angehörigen, Lebenskrisen bei Jobverlust oder Scheidung, bei schweren Krankheiten etc. kann eine Depression entstehen. Da wundert es nicht, dass angeblich ein Viertel der erwachsenen Amerikaner an psychischen Störungen leidet.

Eine neue "Epidemie" sind Bipolar-II-Störungen. Dazu braucht man keine Manie oder psychotischen Störungen mehr. Es genügt eine depressive Phase und eine mindestens 4 Tage andauernde Hypomanie. Das ist eine leicht gehobene Grundstimmung, die auch medikamentenbedingt sein kann.

Auf Seite 300 zitiert der Autor den britische Allgemeinarzt Des Spence aus der Arbeit "Adult attention deficit/hyperactivity disorder", BMJ 2011, 343d7244. Dr. med. Des Spencer beschreibt dort, wie die Psychiatrie zur Goldmine für die Pharmaindustrie wurde:

Man sucht sich eine kleine Gruppe von Fachärzten in angesehenen Einrichtungen aus. Die Pharmaindustrie wird zum beruflichen Königsmacher und fördert die Forschungen dieser Spezialisten. Studien berichten immer von Unterdiagnosen und Unterbehandlung, nie vom Gegenteil. Man hält alle Daten unter Kontrolle und sorgt für eine kurze Studiendauer. Man nutzt die Medien, setzt Nachrichten in die Welt und finanziert Patientengruppen. Man zahlt seinen Experten hohe Beratungshonorare, bearbeitet Politiker und bringt die gesponserten Experten dazu, die Regierung zu beraten.

Ein korrupter Psychiater an einer amerikanischen Universität hatte es besonders leicht. Er schrieb psychiatrische Gutachten über seine Kritiker und erwirkte ihre Entlassung. So gelang es ihm unter anderem, die Markteinführung eines abstrusen Gerätes zur Vagusstimulation bei depressiven Patienten durchzusetzen.

Der Autor stellt fest, dass Vorsorgeuntersuchungen nichts bringen, schon gar nicht auf Depression, dafür aber eine Menge Gesunder zu behandlungsbedürftigen Patienten machen können.

Antidepressiva, "Proz.." und "Paroxe..."

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Ich stimme mit dem Autor überein, dass es unverantwortlich ist, Gesunde mit Antidepressiva etc. zu behandeln und kann auch verstehen, dass das zu erhöhter Aggressivität und Autoaggression führen kann. Wir behandeln natürlich nur echte schwere Depressionen - Menschen, die sich oft schon eine Selbstmordart ausgesucht haben, nicht mehr arbeiten können, keine sozialen Kontakte mehr haben, schon seit Wochen grübelnd im Bett liegen und doch nicht schlafen können. Das ist auch für die Umgebung eine schwere Belastung.

Diesen Menschen kann man mit Antidepressiva oft sehr gut helfen. Selbstmorde ohne Behandlung habe ich viele gesehen (den Toten geht es sicher gut, kann ich nur zynisch schreiben), unter SSRI selten. Ein Absetzphänomen, wie vom Autor postuliert, habe ich nicht beobachtet. Wohl aber kam es vor, dass nach einigen Monaten oder Jahren wieder eine Depression auftrat und die Patienten neuerlich eine Behandlung benötigten.

Im Weiteren schildert der Autor die Betrügereien der Firma Eli Lilly, damit sie eine Zulassung von "Proz.." ("Fluoxet..") erreichte. Da kamen vor: Vertuschung von Nebenwirkungen, Selbstmorde und Aggressivität von gesunden Studienteilnehmern, Bestechung von Beamten und Experten.

Trotz erhöhter Selbstmordraten bei Kindern, wurde es auch für sie zugelassen. Er berichtet von Selbstmorden unter "C", ein "Duloxet..", ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) unter gesunden Frauen, die an einer Studie teilnahmen, die zur Zulassung des Mittels für stressbedingte Blasenstörungen dienen sollte.

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Der Autor empfiehlt den Depressiven Sport zu betreiben, anstatt Medikamente zu nehmen. Bei leichteren Störungen bin ich ganz seiner Meinung. Aber hat er jemals versucht einen schwer Depressiven ohne medikamentöse Vorbehandlung auch nur zu einem kleinen Spaziergang zu überreden? Ich schon - aber meist vergebens.

Professor Dr. med. Peter C. Gøtzsche schreibt danach noch über "Paroxet.." ("P", "S") der Firma GlaxoSmithKline. Die Firma hatte verschwiegen, dass das Medikament bei 30 % der Patienten zu schweren Absetzphänomenen und Selbstmorden führen kann.

2.17. Glückspillen treiben Kinder in den Selbstmord

2001 veröffentlichte GlaxoSmithKline eine Studie mit Kindern und Jugendlichen (Study 329, engl., sehr umfassend). In dem Bericht stand, dass "P" ("Serox..") sehr wirksam sei und minimale Nebenwirkungen habe. Die Studie war ein Schwindel. Die Wirksamkeit war durch "Datenmassage" in einer Untergruppe zustande gekommen. Die Nebenwirkungen hat man verschleiert. Zum Teil waren Studienteilnehmer erfunden worden oder nach Suizid bekam eine andere Person die selbe Versuchsnummer.

Die Abteilung eines "Experten" bekam riesige Summe von der Firma. Nach vielen Selbstmorden wurde die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen endlich verboten.

Das isolierte Stereoisomer "C" von H. Lundbeck A/S in Dänemark

Hier kommt eine weitere Geschichte von einem Evergreen: "C" von H. Lundbeck A/S in Dänemark. Es handelte sich um ein isoliertes Stereoisomer (Isomerie). Nach Ablauf des Patentes für das Racemat von "C" liess sich die Firma die aktive Hälfte seines Renners unter dem Namen "Esc..." patentieren.

Das "neue" Mittel kostete 19 Mal so viel wie die Generika von "C". Auch hier gelang es gekauften Experten zu beweisen, dass ein Mittel besser war als es selbst.

Antipsychotika

Dann geht es weiter zu den Antipsychotika (Neuroleptikum).

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Ich glaube dem Autor gerne, dass die neueren Antipsychotika nicht so viel besser oder nebenwirkungsärmer sind als die alten. Bei Vergleichsstudien hat man die alten zu schnell gesteigert oder falsch dosiert, so dass bessere Ergebnisse für die neuen herauskamen. Kein Mensch wird sie (hoffentlich) bei nicht schwerwiegenden Störungen geben. Aber ich kann ihm nicht zustimmen, dass es den Patienten besser ginge, wenn man alle Psychopharmaka aus dem Handel nähme.

Ich kann mich noch gut an eine Patientin erinnern, die zu Beginn unserer Praxistätigkeit kam, um sich ein Antipsychotikum verschreiben zu lassen. Erst wollte sie nicht so recht verraten, warum sie das brauchte. Dann gestand sie, dass sie früher zwei Mal längere Zeit in psychiatrischen Anstalten verbracht hätte. Seit ihr unser Vorgänger dieses Mittel verordnet hätte, ginge es ihr gut.

Leider wurde das Mittel irgendwann aus dem Handel genommen, und die Frau wollte keinen Ersatz nehmen. Nach einigen Wochen begann sie die Schulsachen der Tochter zu verbrennen und die Möbel aus dem Fenster zu werfen. Den herbeigerufenen Arzt hielt sie für den Teufel und wollte ihn samt seinem Köfferchen hinterherwerfen. Nach längerem Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt und medikamentöser Neueinstellung geht es ihr seit 20 Jahren wieder erträglich.

Das Antipsychotikum "Zypre.." (Wirkstoff Olanzapin) der Firma Eli Lilly, ist eine alte Substanz, aber die Firma behauptete, es erhöhe den Cholesterinspiegel bei Hunden weniger als ein anderes Präparat, das nie auf den Markt kam.

Die grösste Olanzapinstudie wurde 142 Mal (!) veröffentlicht und "Zypre.." wurde zum meist verkauften Antipsychotikum der Welt, obwohl es keinen Vorteil gegenüber "H" hatte, ausser dass es sieben Mal so teuer war.

Trotz erheblicher Nebenwirkungen, wie Herzversagen, Lungenentzündung, starker Gewichtszunahme und Diabetes, wurde "Zypre.." auch für die Anwendung bei Kindern und alten Leuten empfohlen.

Nach Auslauf seines Patents für "Proz.." versuchte Eli Lilly sogar, "Zypre.." auch gegen Depressionen zu verkaufen.

2.18. Einschüchterung, Drohungen und Gewalt zur Verkaufsförderung

Es ist schwer und gefährlich, kriminelle Machenschaften der Pharmaindustrie aufzudecken. Stanley Adams, ein ehemaliger Angestellter des Basler Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche, der die Europäische Kommission über Roches Vitaminkartell informierte, endete auf Betreiben der Firma als Spion in einem schweizerischen Gefängnis.

"Adams-Affäre"

Willi Schlieder, der europäische Wettbewerbskommissar, verriet Adams' Namen an Roche. Als Adams' Frau erfuhr, dass ihrem Mann 20 Jahre Gefängnis drohten, nahm sie sich das Leben. (S. 353)

Redaction comment

EE aus Weltwoche:

"Als Gerber 1978 als Erneuerer antrat, wusste er von der Neigung der Basler zu Preisabsprachen. Mehr noch: Er wurde gleich direkt mit dem Problem konfrontiert. Eine seiner ersten Aufgaben als Konzernchef bestand darin, die Adams-Affäre zu bereinigen. Von 1970 an hatte Roche den Grossabnehmern von Vitaminen «Treueverträge» aufgezwungen, um den eigenen hohen Marktanteil zu sichern. Der Angestellte Stanley Adams, frustriert wegen einer Nichtbeförderung, spielte der EG-Kommission Unterlagen über die illegalen Abmachungen zu. Roche wurde gebüsst, das aufsehenerregende Verfahren ging erst ein Jahr nach dem Amtsantritt Gerbers vor dem Europäischen Gerichtshof zu Ende."

"Gerber hätte also gewarnt sein und entsprechende Kontrollen einbauen müssen, denn die Wettbewerbshüter fällten mittlerweile auf der ganzen Welt drakonische Strafen. Das tat er nicht. So entging ihm offenbar, dass sich Topmanager seiner Vitamindivision zwischen 1989 und 1999 monatlich bis vierteljährlich mit hochrangigen Vertretern von «Konkurrenzfirmen» wie BASF und Rhône-Poulenc trafen, um Milliardenumsätze, Absatzmengen und Preise in den weltweiten Vitaminmärkten abzusprechen."

"Unter den Augen von Henri B. Meier, einem der angesehensten Finanzexperten des Landes, wurden ökonomischen Lehrsätze kurzerhand ausser Kraft gesetzt, indem die Preise auf hart umkämpften Verdrängungsmärkten nicht gesenkt werden mussten, sondern um bis zu fünfzehn Prozent angehoben werden konnten."

Der Link "Adams-Affäre" führt auf den Beitrag in Zeit Online "Allein gegen den Multi" von Wilfried Kratz vom 27.1.84.

Siehe auch die zwei weiteren Seiten dort.

In den USA erhalten die Informanten hohe Belohnungen. Die brauchen sie auch, weil sie keine Arbeit mehr bekommen.

Sollte jemand wagen, zuerst die Firma zu informieren, wird versucht den potentiellen Informanten durch Einschüchterung, Diffamierung und Drohungen dazu zu bringen, von einer Veröffentlichung abzusehen.

Grünenthal und "Thalidom.." (Contergan)

"Thalidom.." (Contergan): Der Arzt, der als erster gehäuft sonst extrem seltene Geburtsfehler unter "Thalidom.." entdeckte, wurde 10 Jahre lang von der Firma Grünenthal verfolgt und mit Klagen bedroht. Der Prozess gegen die Firma Astra, die in Schweden "Thalidom.." herstellte , erwies sich als schwierig, weil sich kaum Experten fanden, die gegen Astra aussagten.

In den USA hatte eine Firma das Präparat ohne Zulassung verkauft. Sie warb alle Experten, die sich mit Geburtsfehlern befassten an, damit sie nicht zugunsten der Opfer aussagten.

In Deutschland wurde nie jemand verurteilt. Die Firma schloss einen Vergleich: etwa 11'000 Dollar für jedes missgebildete Baby. In Grossbritannien wurde alles geheim gehalten. Es dauerte 16 Jahre bis auf Druck der EU endlich darüber geschrieben werden durfte.

"Möglicherweise müssen wir sie aufspüren und dort vernichten, wo sie leben"

Merck setzte gezielt Ärzte unter Druck, die kritische Fragen zu "Vio.." stellten.

Ein paar Tage nachdem Eric Topol (engl.) vor Geschworenen eines Bundesgerichts ausgesagt hatte, Mercks ehemaliger Chef Raymond Gilmartin habe den Vorsitzenden des Stiftungsrates der Klinik angerufen und sich über Topols Einstellung zu "Vio.." beklagt, verlor er (Topol) seine Stellung als Verwaltungsdirektor und akademischer Leiter des Fachbereichs Medizin an der Cleveland State University.

Ein internes eMail von Merck zu diesem Thema: Möglicherweise müssen wir sie aufspüren und dort vernichten, wo sie leben (S. 357).

Redaction comment

Dr. med. LÖ: "Es geht dabei nicht um Ratten sondern um Ärzte."

Erfolgsmeldungen lauteten dann: "NEUTRALISIERT" oder "MISSKREDITIERT".

Der Autor präsentiert weitere Zitate aus einer Geheimsitzung und vergleicht das mit dem Buch 1984, einem dystopischen Roman von George Orwell (eigentlich Eric Arthur Blair. Siehe auch Farm der Tiere).

Auch ein Direktor der FDA versuchte einen Untergebenen in Misskredit zu bringen, weil er eine Studie über Nebenwirkungen von "Vio.." veröffentlichen wollte.

Besonders bösartig können Firmen werden, wenn jemand herausfindet, dass sie lebensgefährliche Nebenwirkungen verschwiegen haben: nächtliche Drohanrufe, makabre Beerdigungsgeschenke, nachts vor dem Haus wartende Autos, anonyme Fotos der Kinder auf dem Schulweg etc. Es gab aber auch Schadenersatzklagen, obwohl die Forscher das Recht zur Veröffentlichung hatten.

Das kanadische Gesundheitsministerium gab der Drohung von AstraZeneca nach und nahm die Leitlinie, dass alle Protonenpumpenhemmer gleich seien zurück; und die deutsche Zeitschrift für Allgemeinmedizin wagte nicht, einen Artikel mit der gleichen Aussage zu drucken.

Auch ein Wissenschaftler, der sich gegen die Verabreichung von Hormonen in der Menopause aussprach und zwei andere, die belegen konnten, dass die neuen Antibabypillen häufiger Thrombosen verursachten, bekamen Klagedrohungen.

Ein Wissenschaftler bekam Todesdrohungen, weil er in einem Vortrag die Herznebenwirkungen eines teuren GlaxoSmithKline-Medikamentes präsentieren wollte. Die Reihe liesse sich noch lange fortsetzen. Auch wenn eine kleine Organisation oder ein Mensch einen Prozess gewinnt, tun ihm die Anwaltskosten mehr weh als der Firma eine Strafe.

2.19. Die Märchen der Industrie fliegen auf

Die Märchen der Pharmaindustrie über ihre Aktivitäten und Motive sind so oft wiederholt worden, dass die Öffentlichkeit, aber auch viele Ärzte und Politiker sie glauben. Sie hindern uns daran, ein vernünftiges Gesundheitssystem aufzubauen, frei von Korruption.

Märchen: "Medikamente sind teuer wegen der hohen Entdeckungs- und Entwicklungskosten"

Der Preis der Medikamente richtet sich in Wirklichkeit danach, was die Gesellschaft zu zahlen bereit ist und wie gut es einem Unternehmen gelingt, den Wettbewerb zu unterbinden (Preisabsprachen etc.). Zwei von der Pharmaindustrie gesponserte Universitäten meinen, es kostet 800 Millionen Dollar, um ein neues Medikament auf den Markt zu bringen. Die wahren Kosten liegen wahrscheinlich bei 100 Millionen. Viele Medikamente werden von öffentlichen Stellen entwickelt und das teuerste ist oft die Werbekampagne.

Der Autor belegt das und andere Gestehungskosten mit Beispielen wie: Schering kaufte von einer anderen Firma ein Hormon, mit dem Symptome der Wechseljahre behandelt wurden, und verkaufte es dann mit einem Aufschlag von 7'000 Prozent. (S. 373)

Wenn neue Medikamente so gut wären, wie die Industrie uns weismachen will, wäre es kaum nötig, sie zu pushen und Ärzte zu bestechen, damit sie die Präparate verschreiben.

Märchen: "Wenn wir keine teuren Medikamente kaufen, kommen die Innovationen zum Erliegen"

Seit den 1980-iger Jahren steigen die Profite der Pharmaindustrie in ungeahnte Höhen, dennoch sind im gleichen Zeitraum immer weniger innovative Arzneimittel in den Handel gekommen. (S. 375)

In Neuseeland beschloss die Regierung 1993 für Medikamente der gleichen Klasse, z.B. NSARs oder SSRIs mit ähnlicher Wirkung die gleichen Preise zu bezahlen und die Preise sind mit der Arzneimittelbehörde auszuhandeln. Die drastische Wirkung war, dass Statine danach halb so viel kosteten wie in Australien und Generika weniger als ein Viertel des Preises in Kanada. Das Land mit 4,4 Millionen Einwohnern sparte dadurch jährlich etwa eine Milliarde Euro ein.

Märchen: "Die Einsparungen sind höher als die Kosten für teure Medikamente"

Ökonomen der Pharmaindustrie behaupten, dass die Einsparungen wegen geringerer Fehlzeiten wegen Krankheiten und vorzeitigem Ruhestand höher sind als die Medikamentenkosten. Mit Ökonomie kann man alles und sein Gegenteil beweisen.

Der Direktor der dänischen Gesundheitsbehörde meinte, es sei sonderbar, dass ein Unternehmen unabhängig davon, was ein neues Medikament koste, immer eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vorweisen könne, die belege, dass die Einsparungen in Form von geringeren Fehlzeiten wegen Krankheit, vorzeitigem Ruhestand und so weiter grösser seien als die Kosten für das Medikament.

Märchen: "Die Industrie finanziert Studien, die zu wissenschaftlichen Durchbrüchen führen"

Die Grundlagenforschung, die die moderne Medizin voranbringt, findet fast ausschliesslich im nicht kommerziellen Sektor statt: an Universitäten, in Forschungsinstituten und in staatlichen Labors.

Die drei wichtigsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts (Antibiotika, Wirkstoff "I" für den Blutzucker und Polioimpfstoff) entstanden in staatlich finanzierten Labors. Für die fünf im Jahr 1995 am meisten verkauften Medikamente, wurden 16 von den 17 grundlegenden Veröffentlichungen, die zur Entdeckung und Entwicklung führten, ausserhalb der Industrie geleistet.

Mehr als vier Fünftel aller Investitionen für die Grundlagenforschung, die nach neuen Medikamenten und Impfstoffen sucht, stammen aus öffentlichen Mitteln. (S. 378)

Märchen: "Pharmaunternehmen konkurrieren miteinander in einem freien Markt"

Es kann keinen freien Markt für Produkte geben, die in erheblichem Umfang aus Steuermitteln subventioniert werden, erst recht nicht, wenn Betrug und Verbrechen weit verbreitet sind.

Dr. Gøtzsche bringt da einige Erfahrungen aus seiner Praxis in der Pharmaindustrie.

Märchen: "Öffentlich-private Partnerschaften nützen den Patienten"

Partnerschaften können gelegentlich beiden Seiten nützen, doch meist schaden sie den Patienten. Die Idee, dass die öffentliche Gesundheit und die Pharmaindustrie gemeinsame Ziele haben ist ein PR-Trick.

Auf gut zwei Seiten legt der Autor gewisse Praktiken und leere Behauptungen offen, die vor allem aus dem Buch "Bad Pharma: How drug companies mislead doctors and harm patients" von Ben Goldacre, London: Fourth Estate 2012 stammen. Harper Collins Publ., UK, verlegten es ab 29. August 2013.

Erhältlich in deutscher Sprache als "Die Pharma-Lüge: Wie Arzneimittelkonzerne Ärzte irreführen und Patienten schädigen", Kiepenheuer&Witsch (15. August 2013).

Märchen: "Arzneimitteltests haben das Ziel, die Behandlung der Patienten zu verbessern"

Eine Studie hat entweder als Ziel einer Umsatzmaximierung oder sie verfolgt das Ziel, die beste Methode zu finden, um eine bestimmte Krankheit zu verhindern oder zu behandeln.

Studien der Pharmaindustrie dienen Marketingzwecken. Unerwünschte Ergebnisse halten die Unternehmen geheim oder manipulieren sie vor der Veröffentlichung.

Ohne Zugang zu den Rohdaten kann man das selten nachweisen und es zahlt sich sogar bei einer Aufdeckung auf, weil die Bussen zu klein sind und die Rufschädigung praktisch nicht wirkt.

Märchen: "Wir brauchen viele Medikamente des gleichen Typs, weil Patienten unterschiedlich darauf ansprechen"

Dr. Gøtzsche schreibt: Ich habe diese Argumente viele Male von Ärzten gehört, die auf die Werbesprüche der Pharmareferenten hören, ohne gross darüber nachzudenken, ob sie wahr sind oder nicht. In seltenen Fällen können sie wahr sein, aber ich kenne keine überzeugenden Daten, die das bestätigen. (S. 382 - EE: ansprechen heisst: der Körper reagiert darauf positiv, das Mittel wirkt)

Märchen: "Verwende keine Generika, weil ihre Wirksamkeit unterschiedlich ist"

Die Arzneimittelbehörde verlangt von den Generikaherstellern Vergleichsstudien und versichert, dass Generika und Originalmedikamente gleichwertig sind. Dabei messen sie z.B. die aktive Substanz im Blut.

Viele Ärzte glauben an diesen Unsinn (der unterschiedlichen Wirksamkeit), der widerlegt wird, wann immer Wissenschaftler ohne Interessenkonflikte die Bioverfügbarkeit testen.

Märchen: "Die Industrie bezahlt die Fortbildung der Ärzte, weil der Staat das versäumt"

Das wäre enorm grosszügig, aber objektive Fortbildung kann nicht im Interesse der Firmen sein. Sonst müssten sie ja manchmal sagen: Nehmen sie das Produkt der Konkurrenzfirma, das ist billiger und besser als unseres! Es geht eigentlich meist um Marktanteile einer Firma, wenn sie Ärzte "fortbildet".

2.20. Das Versagen des Systems schreit nach Revolution

Wenn die Gesundheit der Menschen unser Hauptziel wäre, könnten einige der Milliarden, die derzeit in teure Medikamente investiert werden, um den Cholesterinspiegel der besorgten Gesunden zu senken, viel effizienter angelegt werden: Wir könnten Kampagnen unterstützen, die das Rauchen bekämpfen, für mehr Bewegung eintreten und die Ernährung verbessern - zitiert der Autor aus "Selling Sickness" von Moynihan und Cassels.

YouTube-Video über 10 ekelhafte Fakten zu McDonald's.© CC-by-sa 2.0, YouTube, Alltime10s
EE: Bei YouTube gibt es eine Serie von Videos über Praktiken im Marketing und der Produktion. Hier zeigt das Video einige ekelhafte Fakten zu den Produkten von McDonald's. Leider habe ich das nur in englischer Sprache gefunden. Dauer 7:08 Min.

Medikamente sind nach Herzkrankheiten und Krebs die dritthäufigste Todesursache

Redaction comment

EE: "Selling Sickness: How the World's Biggest Pharmaceutical Companies are Turning us All into Patients" von Ray Moynihan und Alan Cassels. Nation Books; Auflage: annotated edition (24. Juni 2005). Ich habe keine Übersetzung gefunden.

Alan Cassels schrieb u.a. auch: "Seeking Sickness: Medical Screening and the Misguided Hunt for Disease", Greystone Books; Auflage: 1 (24. Juli 2012).

Der Autor erklärt, dass Medikamente nach Herzkrankheiten und Krebs die dritthäufigste Todesursache sind: Gute Daten sind verfügbar, und ich entnehme verschiedenen Studien, dass in den Vereinigten Staaten jährlich 100'000 Menschen an den Medikamenten sterben, die sie einnehmen, obwohl sie sie korrekt einnehmen. Weitere 100'000 sterben aufgrund von Fehlern, zum Beispiel an zu hohen Dosen oder an der Einnahme eines Medikaments trotz seiner Kontraindikationen.

Eine sorgfältig durchgeführte norwegische Studie stellte fest, dass bei 9 % der Patienten, die in Krankenhäusern starben, die verabrechten Medikamente die unmittelbare Todesursache bildeten. Bei weiteren 9 % waren sie eine indirekte Ursache. ... Die Europäische Kommission schätzt, dass jährlich rund 200'000 EU-Bürger an Nebenwirkungen sterben (was 79 Milliarden Euro kostet).

Redaction comment

Dr. med. LÖ: Hatten diese Menschen denn keine Krankheiten, gegen die sie diese Mittel einnahmen, und wären sie nicht vielleicht ohne Medikamente schon an ihren Krankheiten gestorben? Natürlich pflichte ich dem Autor bei, dass wir weniger und bessere Medikamente brauchen, und dass man vieles auch unbehandelt lassen kann und soll. Die USA geben rund doppelt so viel wie europäische Staaten für Gesundheitsversorgung und 2,7 mal so viel für Medikamente aus. Ihre gesunde Lebenserwartung ist aber niedriger. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Gesamtsterblichkeit um 6 % sinkt, wenn die Zahl der Allgemeinmediziner um 20 % steigt - und bei uns senkt man die Anzahl der Allgemeinmediziner.

Wie viele Medikamente brauchen wir wirklich und zu welchem Preis?

Die Anwendung minderwertiger Medikamente gegen Bluthochdruck führt bei schätzungsweise 40'000 Patienten in den Vereinigten Staaten zu Herzversagen. (S. 165)

Die Daten stützen den Befund, dass Medikamente zu den häufigsten Todesursachen zählen

Einen Teil der Medikamente könnte man einfach streichen, für andere gäbe es billigere Alternativen. Die Daten stützen den Befund, dass Medikamente zu den häufigsten Todesursachen zählen:

  • Zu der Zeit, als Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen am häufigsten angewandt wurden, haben sie in den Vereinigten Staaten wahrscheinlich pro Jahr 50'000 Menschen das Leben gekostet. (S. 202)
  • Bis zum Jahr 2004 hatte "Rofeco..." wahrscheinlich bei rund 120'000 Patienten auf der ganzen Welt tödliche Thrombosen ausgelöst. (S. 250
  • Im Jahr 2004 hatte "C" wahrscheinlich bei rund 75'000 Patienten auf der ganzen Welt tödliche Thrombosen ausgelöst. (S. 258)
  • NSARs verursachen in den Vereinigten Staaten jedes Jahr wahrscheinlich etwa 20'000 Todesfälle durch Magen- oder Darmgeschwüre. (S. 260)
  • Bis zum Jahr 2007 hatte Olanzapin wahrscheinlich rund 200'000 Menschen auf der ganzen Welt das Leben gekostet. (S. 351)
  • Hinzu kommen jedes Jahr Millionen Menschen, die an schweren Arzneimittelnebenwirkungen leiden und dadurch arbeitsunfähig werden.

Gewinnorientierung das falsche Modell

Wenn ein Vorstandsvorsitzender in der amerikanischen Pharmaindustrie 531 Mal so viel "verdient" wie ein Angestellter, können wir uns diese Beträge einfach nicht mehr vorstellen.

Eine rein profitorientierte Industrie, der die Aktiengewinne bei weitem wichtiger sind als gute und preiswerte Medikamente, wird unser Gesundheitssystem nicht retten.

Die Übertreibungen

Ein Beispiel, dass nicht dringend benötigte sondern gewinnbringende Mittel auf den Markt kommen ist "Eflornith.." (Difluormethyl-Ornithin, kurz DFMO, ein Ornithin-Decarboxylase-Hemmer).

Ursprünglich wurde es von der Firma Aventis (später Sanofi-Aventis, danach Sanofi) entwickelt. Gegen Krebs war es unwirksam, half aber ausgezeichnet gegen Schlafkrankheit (afrikanische Trypanosomiasis). Da diese Patienten aber meist arm sind, stoppte Aventis die Produktion.

Redaction comment

Erst als es sich als gutes Enthaarungsmittel (nicht Enthaarungscreme) entpuppte, kam es wieder auf den Markt. (S. 394, EE: siehe aber Pharma-Kritik Jahrgang 30, Nummer 12, PK239)

Dr. Gøtzsche zeigt uns die Übertreibungen:

Vier Manager in der Gesundheits- und Pharmaindustrie gehörten 2010 zu den zehn bestbezahlten Managern in den Vereinigten Staaten. Der Topverdiener John Hammergren war Vorstandsvorsitzender des Arzneimittelhändlers McKesson Corp. und verdiente insgesamt 145 Millionen Dollar. Würde der arme Kerl entlassen, stünde ihm eine Abfindung von 469 Millionen Dollar zu.

Es ist nicht gut, dass man Medikamente patentieren kann, wenn sie dadurch so teuer werden, dass wir sie uns nicht mehr leisten können.

Redaction comment

EE: Besonders wenn wir als Steuerzahler die Grundlagen dazu bezahlten. Der Autor nennt uns innovative Alternativen.

Eine Möglichkeit wäre eine staatliche Pharmaindustrie - oder: Solange wir am profitorientierten Modell festhalten, könnten wir ein Belohnungssystem einführen, in dem Pharmaunternehmen kein Patentmonopol haben, sondern Geld bekommen, wenn eines ihrer Medikamente zugelassen wird. Die Grösse dieser Belohnung könnte sich danach richten, in welchem Ausmass das neue Medikament einen Durchbruch darstellt. (S. 395)

Klinische Studien und Arzneimittelbehörden

Klinische Studien (S. 396)

Da wir den Studien der Industrie nicht trauen können, brauchen wir unabhängige Studien. Die einfachste Lösung wäre, alle Pharmaunternehmen in einen Pool einzahlen zu lassen, aus dem unabhängige Stellen für die nötigen Studien bezahlt werden.

So weit ist es noch lange nicht auch wenn es in manchen Ländern zaghafte Initiativen gibt (Italien, Spanien). Inzwischen sollten nur Studien zugelassen werden, die sich auf eine strenge systematische Analyse aller vorherigen Studien zu ähnlichen Medikamenten stützen.

Die Arzneimittelbehörde muss entscheiden, welche Kliniker Medikamente testen dürfen, nicht die Unternehmen. Die Pharmaindustrie müsste verpflichtet werden Placebos (zum Herstellungspreis) und das Mittel in Reinform für unabhängige Studien zur Verfügung zu stellen.

Die Behörden sollten viel mehr gefährliche Medikamente ablehnen (und nicht mit einer enormen Zahl von Warnungen und Vorsichtsmassnahmen in den Handel bringen) und ausreichende Beweise für die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln verlangen.

Surrogatmarker sollten nicht akzeptiert werden (S. 401)

Bei Krebsmedikamenten wird häufig nur der Surrogatmarker - Verkleinerung des Tumors - angegeben, nicht aber die Lebenserwartung.

Relevante Patientenpopulationen, Vergleichspräparate und Zielparameter (S. 402)

Die meisten Medikamente nehmen Menschen über 65 Jahre ein, diese schliesst man aber routinemässig von Studien der Pharmaindustrie aus.

Die meisten Patienten nehmen mehrere Medikamente. Die Pharmaindustrie verlangt häufig, dass ihre Probanden nur das Testmedikament nehmen. Häufig vorkommende Krankheiten bilden bei 81% der Studien einen Ausschlussgrund, ebenso wie 54 % der häufigsten Medikamente.

Nach der Deklaration von Helsinki muss man ein neues Medikament in Tests mit der besten derzeitigen Therapie vergleichen. Placebos wären nur nötig, wenn es noch keine oder eine sehr zweifelhafte Therapie gibt.

Sicherheit und alle klinischen Daten müssen öffentlich zugänglich sein

Sicherheit (S. 403)

Viele Medikamente lässt man nach Kurzzeitstudien mit nur wenig Patienten (500-3000) zu, auch wenn sie für Langzeitanwendung gedacht sind. Die Arzneimittelbehörde müsste darauf bestehen, dass Studien über Jahre laufen und sehr viele Patienten betreffen. Für die wenigen wirklich dringend (von den Patienten, nicht der Firma) benötigten neuen Medikamente, könnte man ja Ausnahmen vorsehen.

Alle klinischen Daten müssen öffentlich zugänglich sein (S. 404)

Sobald Patienten beteiligt sind, gehören alle Daten der Öffentlichkeit. Kein Mensch stellt sich für Studien zur Verfügung, um den Gewinn der Firma zu erhöhen, sondern um zur Entwicklung besserer Therapien beizutragen. Es wäre einfach: Die Arzneimittelbehörde müsste sich weigern Medikamente zuzulassen, wenn nicht alle Daten öffentlich zugänglich sind. Die öffentliche Zugänglichkeit müsste sich auch auf Mittel erstrecken, die keine Zulassung bekamen, weil man bei ähnlichen Medikamenten auf entsprechende schädliche Wirkungen achten könnte. Man müsste Firmen dazu verpflichten, alles offenzulegen, was sie über ein Medikament wissen.

Interessenkonflikte und Beipackzettel

Interessenkonflikte (S. 406)

Arzneimittelbehörden sollte der Staat finanzieren. Nutzungsgebühren können korrumpieren. Man sollte in der Arzneimittelbehörde die Abteilung für Zulassung von jener für Nebenwirkungen trennen. Es fällt schwerer ein Mittel vom Markt zu nehmen, wenn man es selbst zugelassen hat.

Beipackzettel (S. 407)

Patienten sollte man in verständlicher Form informieren, was das Medikament bewirkt. Dies mit einfachen Zahlen zu Nutzen und Schaden. Wissenschaftler des Dartmouth College haben festgestellt, dass Patienten dann viel häufiger das bessere Medikament wählen.

Arzneimittellisten, Leitlinienausschüsse und Arzneimittel-Marketing

Arzneimittellisten und Leitlinienausschüsse (S. 408)

Ärzte mit Verbindungen zur Pharmaindustrie sollten nicht in Arzneimittel- oder Leitlinienausschüssen vertreten sein. Offenlegung der Verbindungen zur Pharmaindustrie nützt nichts, der Interessenkonflikt bleibt.

Man benötigt fähige Methodiker, die etwas über das Fachgebiet wissen, um das es geht. Sie sind in der Lage und bereit, die Schwächen in der wissenschaftlichen Dokumentation aufzudecken.

Arzneimittel-Marketing (S. 412)

Dafür gibt es keinen Bedarf, weil die Produkte für sich selber sprechen sollten.

Werbung und Werbungsveranstaltungen für Medikamente sollten verboten werden ebenso wie Seeding trials und andere Studien zu Werbezwecken. Geldstrafen für illegales Marketing sollten so hoch sein, dass sie eine abschreckende Wirkung haben, nämlich dass der Bankrott der Firma droht.

Pharmafirmen müsste man daran hindern, einer Verurteilung durch einen Vergleich zu entgehen. Topmanager sollten persönlich für Straftaten haften (S. 414). Wer den Tod eines Menschen verursacht, kommt ins Gefängnis. Das sollte auch in der Pharmaindustrie gelten.

Ärzte, ihre Organisationen und Einschränkung von Zuschüssen für Nichtfortbildung

Ärzte und ihre Organisationen (S. 414)

Ärzteorganisationen sollten klarstellen, dass von der Pharmaindustrie gesponserte Konferenzen und Fortbildungsveranstaltungen nicht im Interesse der Patienten sind, ebenso wenig wie von der Industrie bezahlte Honorare und Vergünstigungen für Ärzte. Natürlich dürfen auch die Organisationen selbst kein Geld von der Industrie nehmen.

Zum Beispiel hatte im Jahr 2001 die American Medical Association (AMA) eine Kampagne gestartet, die die Ärzte dazu bewegen sollte, keine Geschenke von Firmen anzunehmen. Dafür aber von der Pharmaindustrie selbst Geld angenommen.

Eine Studie mit 105 Assistenzärzten, die an einer universitären Fachausbildung in innerer Medizin teilnahmen, zeigte, dass 61 Prozent der Mediziner der Meinung waren, Kontakte mit der Industrie hätten keinen Einfluss auf ihr Verschreibungsverhalten, aber nur 16 Prozent glaubten, das gelte auch für andere Ärzte. (S. 415)

Nach einer amerikanischen Umfrage unterhielten atemberaubende 94 Prozent aller Ärzte innerhalb des letzten Jahres Beziehungen zur Pharmaindustrie. (S. 416)

Einschränkung von Zuschüssen für Nichtfortbildung (S. 417)

Wenn eine Firma "frei verfügbar" Zuschüsse für Fortbildung etc. bezahlt, dann erwartet sie, dass ihre Medikamente und nicht billigere Generika zur Anwendung kommen. Ärzte sollten die Mitarbeit an Fortbildungen und Kongressen verweigern, wenn die Industrie den Inhalt bestimmt.

Man sollte Vortragende meiden, die eine Firma bezahlt. Wer verschweigt, dass er nicht der wahre Autor eines Artikels ist, sondern ein Ghostwriter ihn unter seinem Namen geschrieben hat, sollte man bestrafen können.

Patienten und ihre Organisationen (S. 420)

Die Industrie sponsert häufig Patientenorganisationen. Viele sind sogar Gründungen der Pharmaindustrie und unterstützen (oft aus Unwissenheit) die Marketingziele der Firmen.

Man schickt sie vor, um zu klagen, weil eine öffentliche Arzneimittelbewertungsstelle entschieden hat, dass ein Medikament im Vergleich zu seinem Nutzen zu teuer ist (S. 420).

Nie verlangen sie von der Industrie eine Preissenkung, sondern immer nur vom Gesundheitssystem, die hohen Preise zahlen. Patientenorganisationen sollten ihre Mitglieder vor "Informationen" der Pharmafirmen und ihrer Websites warnen.

Es gibt auch Verbraucherorganisationen, die nicht von der Industrie bezahlt sind: Trans Atlantic Consumer Dialogue und Health Action International Europe (hai Europe oder haiweb.org engl.).

Auf Seite 423 bringt der Autor einige Vorschläge, was der Einzelne dagegen tun kann:

  • Mitgliedschaft bei Patientenorganisationen kündigen, wenn diese Geschenke von der Industrie annehmen.
  • Arzt wechseln, wenn er Geld oder Vergünstigungen von der Industrie bekommt oder Aktien einer Arzneimittelfirma besitzt.
  • Arzt fragen, ob es auch andere Möglichkeiten gibt, gesund zu werden als ein bestimmtes Medikament.
  • Fragen, ob es ein billigeres Medikament gibt.
  • Medikamente meiden, die in den letzten sieben Jahren eingeführt wurden (danach sind die gefährlichen meist wieder aus dem Handel), ausser es handelt sich nachweislich um eines der seltenen Medikamente, die wirklich besser sind als ältere.
  • Den Pharmaunternehmen kein Wort glauben.

Medizinische Fachzeitschriften und Journalisten

Medizinische Fachzeitschriften (S. 423)

Fachzeitschriften sollten aufhören Werbung abzudrucken. Viele könnten vielleicht ohne Werbung nicht überleben, aber es gibt ohnehin viel zu viele.

Sie sollten Artikel über Medikamente und medizinische Geräte besonders sorgfältig überprüfen, um sicherzustellen, dass sich dahinter kein Ghostwriter oder eine illegale Vermarktung verbirgt. Sie sollten keine Herausgeber mit Interessenkonflikten beschäftigen.

Journalisten (S. 425)

Firmen setzen Preise für Journalisten aus, die den Absatz ankurbeln. Patientenverbände ermöglichen Interviews mit Patienten, bei denen ein "Wundermittel" geholfen hat: Solche Einzelfallbeschreibungen haben keinen wissenschaftlichen Wert und erlauben keine Beurteilung eines Mittels.

Journalistenausbildner sollten kein Geld von der Industrie annehmen. Journalisten sollten Geschenke und finanzielle Unterstützung durch Unternehmen, über die sie schreiben, ablehnen.

2.21. Den Pharmakonzernen Paroli bieten

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